Ich beginne mit einer Meldung für die eiligen Leser: Die Werte der Fankultur von Borussia Mönchengladbach bieten keinen Platz für Hass, Gewalt und Rassismus.
Soweit nichts Neues, aber es muss immer mal wieder gesagt werden, weil in Zeiten der Oberflächlichkeit von Meldungen solche Grundwerte auch schnell einmal in Vergessenheit geraten und neu hinterfragt werden.
Der Wandel der digitalen Vernetzung macht inzwischen auch aus unserer Fanszene ein öffentliches Gut. Alles was hiermit erlebt und wahrgenommen wird, wird heutzutage öffentlich geteilt, kommentiert, zum Teil empört kritisiert und vor allem wird geurteilt. Jeder hat seine Meinung, aber ob man für sein Meinungsbild immer alle Informationen parat hat, bleibt offen. Unsere Fankultur erhält somit eine Aufmerksamkeit von außen, die den Insidern oft nur den Kopf schütteln lässt. Aber das führt ja auch wieder zu Empörung… Aber hierzu später mehr.
Vor dem Start der Bundesligasaison 2019/2020 nehme ich bei vielen nur eine gedämpfte Vorfreude auf die neue Spielzeit wahr. Die sportliche Neuausrichtung spielt hierbei gar keine große Rolle. Ganz im Gegenteil. Es gibt ein hohes Vertrauen in die Arbeit von Max Eberl und dem neuen Trainerteam rund um Marco Rose. Ebenso ein klares Verständnis dafür, dass hier erst etwas Neues wachsen muss und wir mit Geduld an die Sache herangehen müssen.
Die gedämpfte Vorfreude hat aus meiner Sicht seinen Ursprung darin, dass sich viele der treuen Fans durch die Entwicklung im Fußball nicht mehr so wohl fühlen wie früher. Ablösesummen in nicht mehr greifbaren Dimensionen, Dauermeister Bayern, wobei die Alternativen Dortmund, Leverkusen oder Leipzig für Viele noch viel grausamer sind. Hinzu kommen mittlerweile Restriktionen und Stadionverbote auf Gesänge und Plakate und engen somit den kreativen Freiraum in den Fankurven immer weiter ein. Schleichendes Gift für die Leidenschaft in der Fankurve…
Erfreulicherweise gibt es noch genug Aktivisten in unserer Fanszene, die hier nicht tatenlos zusehen wollen und immer wieder gemeinsam Ideen entwickeln, wie die Leidenschaft in der Kurve erhalten bleibt und sogar neu entfacht werden kann. Aus dieser Gruppe entstand die Idee von „Lott Jonn“ und der Änderung in der Einlaufmusik. Ja, die Kommunikation hierzu war ein Fiasko, weil das Thema ideal gegen die Langeweile der Sommerpause passte und somit für viele Klicks in den Online-Medien sorgte. Aber die Welle der Empörung zeigte schonungslos, wie sich im digitalen Zeitalter die Welt verändert hat. Dieses Zeitalter führt uns zu einer Welt, die nicht für Wahrheit, Gerechtigkeit und Integration steht, sondern für Fake News, Empörung und Spaltung. Und alles nur um Klicks und Reichweite zu erzielen…
Unsere Werte der Selbstregulierung und der offenen Gespräche passt nicht in dieses System. Aber diese Werte sind für unserer Szene und unsere Fankultur viel zu elementar und dürfen daher auf keinen Fall geopfert werden. Das gilt auch für das Spiel in Sandhausen. Neben den Wetterkapriolen gab es zu Beginn der zweiten Halbzeit einen weiteren Aufreger: Pyro! Oberflächlich betrachtet urteilen einige ganz schnell von „Unverbesserlichen die Borussia schaden wollen“ und „gefälligst aus den Kurven verschwinden müssen“. Betrachtet man die Szenerie etwas genauer, entzündete sich hier der Protest gegen Betretungsverbote. Aus nicht zweifelsfrei nachvollziehbaren Gründen wurden Fans der Borussia im Vorfeld des Spieles mitgeteilt, dass sie „Zum Schutz der Bevölkerung“ nicht nach Sandhausen reisen dürfen. Das Paradoxe daran ist nun, dass sich diejenigen, die das Betretungsverbot ausgesprochen haben sogar bestätigt fühlen, da der Block ja „gebrannt“ hat und beim Abpfiff noch üble Schmähgesänge gerufen wurden.
Ursache und Wirkung verschmelzen hier zu einer Gemengelage, in der objektive Beurteilung nicht mehr möglich ist. Dieses führt unweigerlich zu einer negativen Spirale für uns alle. „Über die Stränge schlagen“ sehen inzwischen einige als letzte Möglichkeit um in der Öffentlichkeit mit den Themen, die sie bewegen, wahrgenommen zu werden, egal ob mit Gesängen, Pyro oder Plakaten. Damit wir uns richtig verstehen: Wie im Eingangssatz gesagt bieten die Werte der Fankultur von Borussia Mönchengladbach keinen Platz für Hass, Gewalt und Rassismus. Daher liegt es mir fern, Menschen mit kriminellen Absichten, die im Umfeld des Fußballs egoistisch ihre Straftaten begehen, zu schützen. Ich möchte nur dafür sensibilisieren, dass die pauschale Verurteilung und Forderungen nach härterer Bestrafung auch nicht der richtige Weg ist. Jedoch die bittere Wahrheit für die Protestaktionen im Stadion ist: Die eigentlichen Botschaften, die dahinter stehen, kommen in der Öffentlichkeit nicht mehr an, sobald überzogene Beleidigungen egal ob im Gesang oder auf Plakaten, sowie Pyro eine Rolle spielt.
Lasst uns daher gemeinsam andere Wege finden, unser Interesse nach Gerechtigkeit, Fairness und Leidenschaft für Borussia in der Fankurve auszuleben! Mein Vorschlag: Im Stadion den Fokus auf den maximalen Erfolg unserer Borussia richten. Die neue Borussia wird auch diesmal als Underdog an den Start gehen. Bei alldem, was in der Entwicklung unseres Vereins passiert, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass sich auch andere Vereine weiterentwickeln. Der gemeinsame Weg mit Borussia (Keine Rechte verkauft, 100 + 0 trotz möglicher 50+1, Stadionname bleibt Borussia-Park) hat ebenfalls elementare Werte, die es zu bewahren gilt, um die Leidenschaft in der Fankurve zu erhalten.
Am Samstagabend gemeinsam mit dem hochgereckten Schal die Seele brennen zu lassen ist hierzu der emotionale Start in die neue Saison!
In diesem Sinne bis morgen