Diese Frage beschäftigt im Vorfeld zu anstehenden Partien gegen die Fortuna aus Düsseldorf regelmäßig die Presse, zuweilen auch das ein oder andere Fanlager.
Viele Bezeichnungen werden dem Begriff Derby vorgezogen: Nachbarschafts-Duell, Straßenbahnduell, kleines rheinisches Derby oder einfach nur das Duell gegen die mehr oder weniger ungeliebte Fortuna aus der Landeshauptstadt. Eines können wir aber seit letzter Saison festhalten: Die Spiele gewinnen an Bedeutung und werden immer emotionaler. Der Frust bei den Borussiafans, insbesondere nach der Niederlage in Düsseldorf im letzten Jahr, saß sicherlich nicht nur so tief, weil die Mannschaft ein erbärmliches Bild abgab.
Aufgrund unserer in Alter, Wohnort und Gruppenzughörigkeit sehr heterogenen Fanszene variiert die Bedeutung dieser Begegnung natürlich stark. In den 80ern und Anfang der 90er war ein Spiel gegen die Fortuna genauso hoch bewertet wie beispielsweise gegen Bayer Uerdingen. Ein Auswärtsspiel ohne große Anreise, zumindest für den Teil der Szene aus NRW, dem Gegner in der Regel fußballerisch und fantechnisch überlegen und, wenn man die Spiele gegen Fortuna betrachtet, war es zumindest noch interessant, den Ausgang des Duells zwischen Block 36 und Gästekurve zu betrachten, wo die Freunde der 3. Halbzeit ihren „Sport“ ausübten.
Anschließend verschwand die Fortuna ein paar Jahre von der Bildfläche, bis die Stadt sich ein neues nettes Stadion leistete. Jüngere Mitglieder der Gladbacher Fanszene sind also durchaus mit einer gewissen Rivalität zur Fortuna aufgewachsen. Diese kann man, inzwischen in der 1. Bundesliga wieder angekommen, durchaus als Konkurrenten sehen. Zumindest steht man im Wettbewerb um Zuschauer, Sponsoren und auf sportlicher Ebene, und das in unmittelbarer örtlicher Nähe. Und der an Bedeutung zunehmenden Ultraszene in Düsseldorf möchte man ja auch zeigen, wer mehr draufhat und welcher Verein letztlich der einzig wahre ist.
Betrachtet man den Aspekt des Wohnortes kann man die Emotionen, die mit einem Spiel gegen die Fortuna zusammenhängen, vielleicht besser verstehen. Wohnt man wie ich in einem Ort zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach, wo es früher nur ein paar Bayern, 1-2 Quotenkölner und ein paar Zugereiste gab, so hat sich die Situation mittlerweile grundlegend geändert: Leider hängen in meinem Ort inzwischen ebenso viele Fortunafahnen im Vorgarten wie Fahnen von Borussia. Auf den Straßenschildern erkennt man die Verbotszeichen nicht mehr, weil Ultraaufkleber der Fortuna sich einen Wettstreit mit denen unserer Borussia liefern. Die heimische Stammkneipe ist bei Fortunspielen inzwischen regelmäßig gefüllt und reserviert. Zur Schande dieser Kneipe muss erwähnt werden, dass sie sich im Fohlenecho als die Borussiafankneipe vorgestellt hat.
Auch hört man im eigenen Umfeld immer mehr von Leuten, die plötzlich zur Fortuna gehen. Komisch, der war doch früher ein Bayerfan? Und der ins Neubaugebiet zugereiste Familienvater aus Stuttgart geht auch lieber zur Fortuna, weil Düsseldorf als Stadt so toll sein soll, und Die Toten Hosen kommen ja auch von da. Nimmt man dann noch das Eventfanpotential in Düsseldorf - Fortuna ist dann immer mal wieder cool - und ein paar Japaner dazu, hat man die ca. 42.000 Zuschauer in der Wettspielarena. Irgendwann wird das alles zu viel – ich möchte gegen diese Truppe einfach aus Prestige nicht mehr verlieren und im Büro und Sportverein keine dummen Sprüche hören müssen!
Borussiafans mit weiterer Anreise haben ohnehin doch eher andere „Feindbilder“. Die Norddeutschen mögen den HSV nicht – gut, wer tut das inzwischen schon noch. Die Süddeutschen hegen ihre Abneigung wahlweise eher gegen Bayern oder Frankfurt und haben so andere Spiele, die ihnen aufgrund des Wohnortes wichtig sind. Für die Fanszene insgesamt stellt sich unterm Strich die Frage, ob es sich beim Spiel gegen die Fortuna um eine „Derby“ handelt, weiterhin nicht, denn: Es gibt nur ein Derby! Und zwar, wie jedem klar sein sollte, gegen die Ziegen. Jedes andere Spiel ist emotional und subjektiv sehr unterschiedlich zu bewerten. Aus meiner Sicht ist es ein Nachbarschaftsduell, nicht mehr und nicht weniger. Aber ich mag es aufgrund der Nähe nicht, gegen sie zu verlieren.