Richtet man in diesen Tagen den Blick in den hohen Norden, tun sich beim Hamburger SV erstaunliche Parallelen zu den Szenarien auf, die wir vor drei Jahren erlebten. Die Initiative „HSVplus“ bereitete schon seit längerer Zeit in einer für die Norddeutschen grottenschlechten Saison, die nur mit reichlich Dusel noch in Liga 1 beendet wurde, Umstrukturierungen im Verein vor, die den Mitgliedern mit zahlreichen Marketingmaßnahmen und mit prominenten Namen garniert schmackhaft gemacht wurden.
Ähnlich wie seinerzeit bei der sog. „Initiative Borussia“ wurden den Vereinsmitgliedern „strategische Partner“ versprochen, die mit ihren Investitionen den HSV kurzfristig (man spricht an der Elbe von drei Jahren) nicht nur aus der Schuldenfalle sondern selbstverständlich auch wieder in das europäische Geschäft und „zu Titeln“ führen sollen … das alles natürlich - Achtung Ironiemodus - ohne die Rechte der Vereinsmitglieder auch nur im Mindestens zu beschneiden.
Vor drei Jahren ist es uns in im Prinzip gleicher Situation gelungen, die Machenschaften einer „Initiative“ abzuschmettern. Wir Fans hatten daran nicht unwesentlichen Anteil. Wie Phönix aus der Asche ist unsere Borussia zum Ende der verkorksten Saison 2010/11 nicht nur nicht abgestiegen, sondern hat auch jegliche Versuche, den Verein komplett - und im Vergleich mit dem HSV sehr ähnlicher Weise - umzustrukturieren abgeschmettert. In beachtlicher Weise sind damals Verein und Fans zusammengerückt und haben die Borussia erfolgreich gegen die „Initiative“ verteidigt.
Warum ist das dem HSV nicht gelungen?
Sicher konnten wir im Gegensatz zum HSV im Verlauf der Rückrunde 2010/11 den minimalen Silberstreif am Horizont rein sportlich erkennen. Trotzdem sind wir - genau wie der HSV - dem Abstieg in die 2. Liga nur denkbar knapp entgangen. Und im Gegensatz zum „Dino“ haben wir sogar schon Übung im Absteigen. Zwei Abstiege, drei Jahre zweite Liga, beim ersten Abstieg katastrophale Finanzen, beim zweiten Abstieg desaströse Verhältnisse in der sportlichen Führung, und der Fastabstieg 2011 … all das hat trotzdem nicht dazu geführt, dass eine „Initiative“ das Zepter übernehmen konnte. Stattdessen wurde mit dem auch vom Verein gerne übernommene „Wir sind Borussia“-Motto der Fans eine lange Phase sportlichen Misserfolgs gemeinsam bewältigt … und zwar ohne das Geld „strategischer Partner“!
Beim HSV tickt die Uhr anders. Auch in den Köpfen der Vereinsmitglieder, wie wir spätestens seit Sonntag wissen. Vielleicht hätte Fans und Verein eine Besinnungspause in der 2. Liga gut getan. Denn offenbar ist man Hamburg so richtig immer noch nicht zur Besinnung gekommen. Stattdessen glaubt man den Versprechungen einer „Initiative“, die den Vereinsmitgliedern das Märchen von „Europa in drei Jahren“ vorgaukelt. Dafür ist man bereit, Tafelsilber zu verscherbeln. Natürlich nur an „strategische Partner“, deren Input sich nicht - wie bei den Scheichs und Oligarchen in England - aufs reine Geldgeben beschränken soll, denen aber andererseits keinerlei echte Mitspracherechte eingeräumt werden sollen. Wie/wo soll diese eierlegende Wollmilchsau zu finden sein? Das scheint dem HSV-Vereinsmitglied egal zu sein. An der Elbe wähnt man sich immer noch unter den Großen der Liga, für die „Europa“ selbstverständlich ist. Unser Image und Selbstverständnis als kleiner Verein aus der Provinz hat uns sicher dabei geholfen, eine 15 Jahre währende Durststrecke inkl. zweimaligem Abstieg zu akzeptieren. Jetzt sind wir auch ohne „Initiative“ wieder da. Der HSV-Fan glaubt lieber an strategische Partner, die in maximal drei Jahren die Rückkehr nach Europa ermöglichen werden… im Hintergrund tickt die Uhr nun lauter denn je. Wir sagen schon mal „Tschö!“ zum HSV, so wie wir ihn selbst als Gladbacher schätzten. Diesen alten HSV wird es nicht mehr geben. Und einen neuen? Tick tack, tick tack…
Zur Information:
Mit rund 87% Zustimmungsquote haben am Sonntag die HSV-Vereinsmitglieder beschlossen, dass die aus dem Verein auszugliedernde Profiabteilung (in Hamburg AG, bei uns GmbH) bis zu 24,9% ihrer Anteile ohne Zustimmung der Vereinsmitglieder veräußern kann. In Mönchengladbach ist dies nicht möglich! Bei uns muss jeder auch kleinste Anteilsverkauf mit 2/3-Mehrheit von den Vereinsmitgliedern beschlossen werden. Die für den Anteilsverkauf verantwortlichen Personen (Vorstand der AG) können die HSV-Vereinsmitglieder nicht direkt (ab)wählen.
Wer den „neuen HSV“ ausführlich mit unserer Satzung vergleichen möchte, kann das hier und hier tun.