Erklär‘ mir den Fußball - heute Frankreich

Jüngst ist Deutschland in der Qualifikation für die Fußballeuropameisterschaft 2016 in Frankreich im südportugiesischen Faro gegen Gibraltar angetreten, zwei weitere interessante Spiele auf der Insel gegen Irland und Schottland stehen u. a. in der zweiten Jahreshälfte noch bevor. So ganz allmählich wirft das Turnier bei unseren Nachbarn im Südwesten also seine Schatten voraus. Auch in der Champions League könnte die Borussia wieder nach Frankreich reisen müssen. Eine gute Gelegenheit für uns, uns den Vereinsfußball dort mal etwas näher anzusehen.


Fußball wurde in Frankreich erst Mitte des 20. Jahrhunderts richtig beliebt. Bis lange nach dem zweiten Weltkrieg stand Fußball im Schatten von Sportarten wie Rugby, Boule und Radsport. Das erklärt auch, warum viele Fußballspiele bis in die 1990er Jahre noch im Innenraum von Radrennbahnen stattgefunden haben. "Stade Vélodrome" heißen diese Radrennbahnen auf französisch. So heißt bekanntlich auch das Stadion unseres Europa League-Gegners 2012, Olympique Marseille. Dort wurde allerdings für die WM 1998 die Radrennbahn entfernt, und der Stadionname nur noch aus Tradition beibehalten.


Als die Nationalmannschaft 1984 und 2000 Europameister und 1998 Weltmeister wurde, hat dies dem Ansehen des Fußballs in Frankreich erheblichen Aufschwung verschafft, was sich auch in der Liga bemerkbar machte. Der französische Ligabetrieb ist in der "Fédération Française de Football" (FFF) organisiert und wurde in der Saison 1932/33 aufgenommen. In der Ligue 1 und in der Ligue 2 spielen derzeit jeweils 20 Vereine, die jede Saison u. a. drei Ab- bzw. Aufsteiger ausspielen. Die Absteiger (aus der 1. in die 2. Liga) der vergangenen Saison sind Evian Thonon Gaillard, FC Metz und RC Lens. Dafür dürfen in der Saison 2015/2016 ES Troyes AC, Gazélec FC Ajaccio und SCO Angers in der 1. Liga mitspielen. Französischer Meister wurde zum dritten Mal in Folge und zum fünften Mal insgesamt Paris Saint-Germain. Auf Platz zwei folgt mit Olympique Lyon ein Verein, der seine bisherigen sieben Meisterschaften in Folge(!) holte, und zwar von 2001/2002 bis 2007/2008. Platz drei ging an den AS Monaco. Monaco ist ebenfalls siebenfacher französischer Meister, holte diesen Titel zuletzt in der Saison 1999/2000.


Die Titelvergabe war in Frankreich bisher also etwas offener und nicht so einseitig wie z.B. in Deutschland. Es beibt zu hoffen, dass dies auch trotz der Millionensummen aus dem Katar für Paris St. Germain so bleiben wird. Rekordmeister ist mit zehn Meisterschaften übrigens AS Saint-Étienne; dicht gefolgt von Olympique Marseille mit neun und FC Nantes mit acht Meisterschaften.

In der nächsten Saison spielt neben Meister Paris Saint-Germain (Topf 1) auch der Zweitplatzierte Olympique Lyon (Topf 2 oder 3) in der Champions League, beide könnten Borussias Gegner werden. Der Tabellendritte AS Monaco steigt in der 3. Qualifikationsrunde zur Champions League ein. Der Vierte Olympique Marseille ist sicher in der Gruppenphase der Europa League dabei, während AS Saint-Étienne (5.) und Girondins Bordeaux (6.) noch durch die EL-Qualifikation müssen.

Neben dem normalen Ligabetrieb gibt es natürlich auch in Frankreich den Pokalwettbewerb. "Coupe de France de football" heißt er dort und wird seit 1917 ausgespielt. Rekordsieger ist Olympique Marseille (10x) vor Paris Saint-Germain (9x), die auch amtierender Pokalsieger sind.

Die Endspiele wurden bisher immer entweder in der Stadt Paris oder im Ballungsraum drumherum ausgetragen. Seit 1998 findet das Endspiel im Stade de France in Saint-Denis statt, das für die WM 1998 gebaut wurde und den Parc des Princes (Prinzenparkstadion) in Paris u. a. als offizielles Nationalstadion ablöste.

Neben dem "normalen" Pokalwettbewerb gibt es noch den Ligapokal und den Supercup. 13mal (von 1953 bis 1965) wurde auch der Coupe Charles Drago ausgespielt, an dem alle im französischen Pokal ausgeschiedenen Profivereine teilnehmen durften. Im ersten Jahr wurde durch Münzwurf entschieden, wer weiter kommt, wenn es nach der Verlängerung noch Unentschieden stand. In den beiden folgenden Jahren gewann in so einem Fall einfach die Gastmannschaft, und die folgenden drei Jahre lang wurde das Spiel wiederholt. Die letzten Jahre der Austragung dieses Wettbewerbs entschied bei Unentschieden das Eckenverhältnis über das Weiterkommen. Vermutlich war neben dem Desinteresse an so einem "Trostpokal" auch die eigenartige Regelung des Weiterkommens ein Grund dafür, dass dieser Wettbewerb eingestellt wurde.

Auf das aktuelle Geschehen in Sachen "Fußball in Frankreich" werden wir als Borussen vielleicht Ende August nach der Champions League-Auslosung wieder einen Blick werfen, falls die Borussia tatsächlich gegen einen französischen Club anzutreten hätte. Die reisefreudigen Borussen unter uns, die auch zu den Spielen der Nationalmannschaft fahren, werden spätestens ab dem 10. Juni 2016 bei der 15. Fußball-Europameisterschaft der Männer wieder ein Auge auf Frankreich haben. Seien wir also gespannt, wie nah wir dem französischen Fußall in den nächsten ein bis zwei Jahren tatsächlich noch kommen werden.