Erklär' mir den Fußball: Heute Argentinien

Geschrieben von Börnie   
Dienstag, 16. Juni 2009

El Torneo Apertura/Clausura, wörtlich übersetzt heißt es wohl soviel wie „das Turnier von der Eröffnung bis zum Schluss“, man kann die höchste argentinische Liga aber auch als Primera División bezeichnen. Da bei Borussia in Vergangenheit und Gegenwart auch einige Spieler aus der Republik im Süden Südamerikas aktiv waren/sind und ich neulich schon über das Spiel bei den Boca Juniors geschrieben habe...

...wobei das Rückspiel in Karlsruhe und nicht in Mönchengladbach stattfand (die beiden Leser, die den Fehler entdeckt und gemeldet haben, können sich bei mir im FanHaus ein Bier abholen!) ein kleiner Blick über den Tellerrand, wie die Meisterschaft im achtgrößten Staat der Erde ausgetragen wird.

In der 20 Teams umfassende Liga hat die Meisterschaft den höchsten Stellenwert, da es die einzige landesweite Trophäe ist, Verbands- oder Ligapokal gibt es dort nicht. Hinrunde (Torneo Apertura, August bis Dezember) und Rückrunde (Torneo Clausura, Februar bis Juni) werden als eigenständige Meisterschaften ausgetragen (nach diesem Modus wäre Hoffenheim Meister 2008 Torneo Apertura gewesen); stehen am Ende einer Runde zwei Mannschaften punktgleich an der Spitze, so gibt es ein echtes Endspiel.

Die „UEFA-Cup-Plätze“ werden in einer Gesamttabelle nach Hin- und Rückrunde ermittelt, wer absteigt wird durch den Punkteschnitt der letzten drei Jahre bestimmt. Also mit einem guten Jahr kann man zwei miese wieder ausbügeln, als Aufsteiger kann man meist nur eine Saison mit in die Rechnung einbringen, ich überlasse es den Stammtischen darüber zu diskutieren, ob das gut oder schlecht ist. Neben zwei Direktabsteigern gibt es noch zwei Relegationsplätze, die mit zwei Teams aus der Nacional B in einer eigenen Runde ausgetragen werden.

Ich muss gestehen, ob ich das bis ins Detail genau verstanden habe oder ob da der Manipulation besonders im Hinblick auf die kontinentalen Wettbewerbe nicht Tür und Tor geöffnet werden, ich weiß es nicht.

Im Sommer 2008 wurde River Plate Meister der Clasura, die Hinrunde 08 konnte River Plate im Dezember für sich entscheiden, aktuell läuft am Wochenende 13.-15. Juni (ja, auch dort gibt es ein Montagsspiel) der 17. Spieltag, Boca ist mit fünf Siegen nur 14., River Plate mit einem halben Dutzend gewonnener Spiele auf der fünf, vorne sind CA Lanus gefolgt von CA Velez Sarfield und Atletico Huracan, beide aus Buenos Aires

So, jetzt hoffe ich mal, das ich das auch alles halbwegs richtig zusammengesucht habe, ansonsten kann unser Neuzugang Raúl Bobadilla das bestimmt besser erklären, auf Spanisch oder Schwitzerdütsch. Für mich war es absolutes Neuland, und deswegen beschäftige ich mich in der nächsten Folge mit Brasilien, denn da ist es noch komplizierter.

PS: Auf http://www.daserste.de/weltspiegel habe ich folgendes Schmankerl entdeckt:

Massenhaft Tore, Pokale wie am Fließband, kollektive Euphorie in den Stadien. Wir befinden uns in Argentiniens Erster Liga. So sehen glückliche Fans aus...

Im Westen von Buenos Aires dagegen: Dumpfe Vorahnungen auf der schmucklosen, betonierten Fangeraden von Atlético Atlas. Anstoß bedeutet hier: Beginn eines 90-minütigen Desasters. Mit den Toren, die Atlas kassiert, würden andere dreimal Meister. Eines haben die glücklosen Spieler und die verzweifelten Fans gemeinsam: den Ausdruck blanken Entsetzens. In der Kabine nach dem Spiel, also nach einem weiteren Fiasko. Der entnervte Trainer tobt, und er hat allen Grund dazu: Atlético Atlas ist der schlechteste Verein Argentiniens. Und trotzdem – die Looser füllen mehr Sendeminuten im Fernsehen als die Superstars Boca und River zusammen.

Montags 23:00 Uhr, entsetzliche Einblicke in das Epizentrum der Niederlagen, die Show heißt: „Atlas – die andere Passion“. FOX Sports mit niederschmetternden Zusammenschnitten all der Dramen, die sich in der letzten Woche zugetragen haben; und die Fangemeinde wächst.

Maxi Ambrosio, Moderator „La otra pasion“

In Argentinien heißt die oberste Liga „A“, und die schlechteste „D“. Wir haben zunächst die schlechteste Mannschaft aus der „D“ ausgewählt. Aber dann haben wir uns gefragt: ‚Was ist eigentlich unterhalb der D? Dort haben wir Atlas gefunden, das schlechteste Team Argentiniens. Abstieg aus den oberen Ligen, Absturz aus dem Mittelfeld, Rausschmiss aus dem Verband. Keine Fans, kein Geld, Atlas im freien Fall.

Atlas ist das Aufwärmtraining vor dem Fußball.

Atlas – eigentlich ein ganz normaler Verein, gegründet in den 50er Jahren mit immerhin mittelmäßigem sportlichen Erfolg. Der Niedergang beginnt in den 80ern, eine sensationelle Serie von Pleiten, Pech und Pannen.

Adrián Benitez, 23, ist der erfolgloseste Torjäger seit Menschengedenken. Bei Atlas versucht er, das beste aus seiner dunklen Vergangenheit zu machen, und aus seinen begrenzten natürlichen Anlagen. Als kleiner Junge war es mein Traum, in der ersten Liga zu spielen. Aber – mein Zug ist abgefahren, ich bin kein Kind mehr. Und jetzt ist Atlas das einzige, was mir geblieben ist. Nicht, dass Adrián noch nie getroffen hätte. Doch die Gegner sind einfach stets um Klassen besser.

Wenn einer das überhaupt nicht witzig findet, ist es Trainer Néstor Retamar. Spitzname Urraca, „die Elster“. Ein nutzloser Aufschrei gegen das Gesetz des Verlierens. Jeder sagt: Wir haben wieder ein Spiel verloren, jetzt sind wir tot. Nein, verdammt! Wir leben! Ihr seid sauer auf mich? Gut, ihr sollt mich hassen!

Bei Atlas liegen jeden Sonntag die Nerven aufs Neue blank. Heutiger Gegner: Central Ballester. Seit 18 Jahren hat Atlas nicht mehr gewonnen. Doch ein Argentinier ist seinem Verein in Treue ergeben, völlig wurscht, wie’s läuft. Und dann: Kopfballverlängerung - Adrián an der Fünfmeterlinie - Ball direkt genommen, Tor!

Atlas ist zurück im Leben. Glückwunsch, Argentinien.