Interview mit Thomas Ludwig zur aktuellen Diskussion rund um das Thema Einlaufmusik

Die Wogen rund um das Thema Einlaufmusik im BORUSSIA-PARK haben sich etwas geglättet. Neben vielen positiven Reaktionen gab es kritische Töne, die zum Teil auf Fehlinformationen beruhen. Um einige Unklarheiten aus dem Weg zu räumen, führten wir ein Interview mit Thomas Ludwig, dem Vorsitzenden des FPMG Supporters Club.

 



DK: Thomas, wart Ihr überrascht darüber, in welcher Form viele Fans auf die Neuerung beim Einlauf der Mannschaft reagiert haben?
Thomas: Wir wussten, dass es ein sensibles Thema ist, in dem Emotionen eine große Rolle spielen. Vor allem die jüngeren Fans und diejenigen, die erst seit dem Umzug ins neue Stadion Borussia unterstützen, kennen ja nur die „Elf vom Niederrhein“ als Lied vor dem Einlauf der Mannschaften. Aus den Gesprächen, die ich geführt habe, wurden vor allem drei Themen hinterfragt: Warum steht es zuerst in der Zeitung? Wer hat das entschieden? Wieso ein Bruch der Tradition? Aber der Reihe nach: Die angedachten Änderungen sollten aus einem Guss und direkt von der Fanszene, also auch von uns, kommuniziert werden. Aber erst dann, wenn die finalen Gespräche mit allen Beteiligten geführt wurden. Aus welchen Gründen auch immer gab es voreilig einen Artikel in der Presse, was sehr ärgerlich für Alle war, aber sich nicht verhindern lies. In diesem Artikel wurden allerdings lediglich Teilaspekte eines Maßnahmenpakets in die Welt gesetzt, und diese wurden nicht einmal korrekt dargestellt.

DK: Unmittelbar nach dieser Veröffentlichung war die spontane Aufregung groß, in diversen Foren und insbesondere in den sogenannten „Soziale Medien“. Fandest Du die Reaktionen angemessen?
Thomas: Sie waren völlig überzogen, auch weil zum Teil Falsches berichtet wurde. Ein Phänomen, dass leider im Spiegelbild der Gesellschaft stetig zunimmt. Die modernen Kommunikationsmöglichkeiten ließen sich durchaus sinnvoll und vor allem sachlich nutzen. Leider wird oftmals lediglich gemeckert. Weshalb bedient man sich nicht derselben Kanäle, um sich aktiv und kreativ mit einzubringen? Die Diskrepanz in Häufigkeit und Intensität zwischen einerseits Unmut und andererseits eigene Vorschläge äußern wird ständig größer.


DK: Ein wesentlicher Vorwurf ist, irgendeine kleine, elitäre und konspirative Clique bestimme über das Wohl und Wehe der gesamten Fanszene. Man glaubt, man habe selbst keine Möglichkeit der Teilhabe und der Mitbestimmung. Nimmt der Entscheidungsprozess also nicht jeden mit?
Thomas: Ganz im Gegenteil! Dem widersprechen wir mit Nachdruck! Die Austauschgruppe ist doch gerade dazu da, die Interessen der großen Fanszene von Borussia zu vertreten. In der jetzigen Form kam sie erstmals anlässlich des Boykotts des Auswärtsspiels in Köln zusammen und ist mittlerweile auf rund 50 Fans angewachsen. Diese Austauschgruppe ist ein Querschnitt der gesamten, aktiven Fanszene, nicht ultralastig, sondern ausgewogen, vielfältig und breit aufgestellt. Das FPMG ist hier vertreten, und damit repräsentativ alle seine Mitglieder, Fans der Nordkurve aller Couleur, Ultras, Kuttenträger, Alles- und Vielfahrer. Man tauscht sich regelmäßig aus, streitet leidenschaftlich, etwa über die vermeintlich richtige Art des Supports und geht eben auch neue Wege. Die Austauschgruppe ist von Borussia legitimiert, und Borussia setzt sich regelmäßig mit ihr zusammen, so wie derzeit, wenn man im Einklang versucht, die Stimmung im Stadion peu à peu zu verbessern.

DK: „Aktive Fanszene“ ist ein gutes Stichwort. Immer wieder stößt man auf die Frage, wer denn die aktive Fanszene ist, und weshalb man selbst nicht dazugezählt wird.
Thomas: Aktiv ist man halt nicht, wenn man sich immer nur empört und aufregt, insbesondere in Foren und den „Sozialen Medien“, sich aber gleichzeitig nie bei Fantreffen, Diskussionen, Infoveranstaltungen und Vorspielen im FanHaus und an speziell eingerichteten Infotischen blicken lässt und sich dort einbringt und mitmacht. Als Beispiel diene das letzte Heimspiel gegen RB mit der Frage: wie Umgehen mit dem Konstrukt? Infoveranstaltungen wurden nicht genutzt, zum gemeinsamen Anfertigen von Spruchbändern gesellten sich nur wenig neue Kreative. Das FPMG und auch die Ultras richteten vor dem Anpfiff viele Infostände ein. Die Motto-Schals und –T-Shirts gingen dort weg wie warme Semmeln, doch Keiner nutzte die Gelegenheit zur Diskussion und Vertiefung der Problematik, KEINER! Erst nach dem Spiel kamen wenige gute Ideen, für die wir uns hier noch einmal bedanken. Hängen blieb der mediale Hype um ein geschmackloses Banner. Alle anderen Spruchbänder, und vor allem die Intention des Protestes gingen unter.

DK: Viele Fans verfolgen Borussia und das Geschehen in Mönchengladbach aus der Ferne, weil sie aus den verschiedensten Gründen nicht vor Ort sein können oder wollen. Wie können sie sich Gehör verschaffen?
Thomas: Jeder Borusse ob von nah oder fern kann und soll seine Meinung adäquat kundtun, gerne über die eben beschriebenen Kommunikationswege. Man möge aber bitte Verständnis dafür haben, dass sich der Fokus unserer täglichen Arbeit auf diejenigen richtet, die immer oder zumindest oft dabei sind, insbesondere die Alles- und Vielfahrer und zu Hause im BORUSSIA-PARK selbstredend diejenigen Dauerkarteninhaber, die mit Herz, Hand und Gesang alles geben, um Borussia zu unterstützen. Es geht in erster Linie um den Support und die, die vor Ort ihre Leidenschaft leben. In Zeiten des modernen Fußballs und der Totalvermarktung finden gerade die Belange der Stadiongänger immenser r seltenerer eine Berücksichtigung. Es geht also bsplw. um Themen wie die Spieltagszerstückelung, späte Anstoßzeiten, unnötige Hindernisse bei Auswärtsspielen, hohe Eintrittskartenpreise, etc.

DK: Abschließend zurück zum Ursprungsthema Einlaufmusik. Warum habt Ihr ein solch heißes Eisen überhaupt angefasst?
Thomas: Durch den Trainerwechsel spürt man eine Art Aufbruchsstimmung in Mönchengladbach. Wir wollten diese aufgreifen und von Fanseite einen zusätzlichen Impuls geben. Denn die Stimmung in der Nordkurve nahm in den letzten Jahren nicht selten lethargische Züge an. Dabei steckt viel Potenzial in ihr. Das wollen wir wieder mit Leben füllen.

DK: Und dafür wird jetzt „Die Elf vom Niederrhein“ (EvN) geopfert?
Thomas: Das ist eine klassische Falschmeldung. Eine reißerische Überschrift, und schon regen sich viele völlig unnötig auf. Die EvN verschwindet ja nicht, sondern wird vorgezogen auf ihren alten Platz.

DK: Alter Platz? Wie meinst Du das?
Thomas: Erst seit Dick Advocaat ist die EvN Einlaufmusik, also seit 15 Jahren. Zuvor lief sie immer VOR der Mannschaftsaufstellung. Und genau dorthin kehrt sie zurück. Man kann es fast schon eine Rückkehr zur Tradition nennen.

DK: „Die Seele brennt“ (dSb) rückt an die Stelle EvN. Welche Argumente sprechen dafür?
Thomas: Jeder Borusse kennt dSb, ist textsicher. Es ist ein sehr emotionales Lied, und ich kenne niemanden, dem das Lied nicht ans Herz geht. Wird es gespielt, stehen alle, singen mit und halten ihren Schal nach oben. Das ist ein imposantes Bild, soll die eigene Mannschaft pushen und den Gegner idealerweise sogleich in seine Schranken weisen. DSb ist wie eine Hymne, etwa vergleichbar mit „You’ll never walk alone“ in Anfield oder bei Celtic.

DK: Es wird sicher eine Weile brauchen, bis wir das so hinkriegen, oder?
Thomas: Ja, das denke ich auch. Es wird sicher nicht alles sofort klappen, wir steigern uns von Heimspiel zu Heimspiel. Es muss sich erst mal einspielen, der Vorteil ist aber, dass alle zusammenarbeiten: Stadionregie, Knippi als Stadionsprecher und die Vorsänger.

DK: Klingt vielversprechend.
Thomas: Ja, die Vorsänger übernehmen dann direkt im Anschluss an dSb. Es geht ja gerade darum, die Vorspielphase rein auf Borussia hin auszurichten. In den letzten 30 Minuten vor Anpfiff sollen etwa keine Charts gespielt werden, nur Borussialieder, mit dem starken Duo EvN und dSb als Höhepunkt. Es ist ein Gesamtkonzept, bei dem die Einlaufmusik nur ein Aspekt ist. Deshalb griff die erste Pressemeldung viel zu kurz.

DK: Gesamtkonzept? Ist noch mehr geplant?
Thomas: Ja, es geht um die Stimmung insgesamt. Dazu gibt es Ideen, in der Nordkurve einen konzentrierten Stimmungsbereich zu schaffen, in dem sich alle, die aktiv Stimmung machen wollen, wiederfinden. Borussia unterstützt unser Vorhaben. Dies ist aber noch nicht ausgereift. Wir wollen hier möglichst viele Fans mitnehmen und werden daher zu gegebener Zeit weiter informieren.

DK: Hast Du noch etwas, was Du den Fans mitgeben möchtest?
Thomas: Es ist gut zu wissen, dass Borussia viele Fans hat, die Veränderungen grundsätzlich offen gegenüber stehen und neuen Ideen auch eine Chance geben. Diese Veränderungen brauchen eine gewisse Zeit, um eine durchschlagende Wirkung zu erzielen. Da ist auch etwas Geduld gefordert. Allen, die dem neuen Konzept bislang noch kritisch gegenüberstehen, rufe ich zu: Bitte gebt auch ihr dem Ganzen eine Chance, macht mit, und bringt v.a. Eure Schals mit!