Adventskalender 2020 - Eigentörchen 5
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- Veröffentlicht am 05. Dezember 2020
- Geschrieben von Thomas Ludwig
Eigentörchen zum Advent
Geldschein 1000 griechische Drachmen
Dass Borussia eine lange Europapokaltradition hat, begründet sich wie so vieles durch die 70er Jahre. Nach dem ersten Meistertitel 1970 gab es 10 Jahre nonstop Europapokalgeschichte und Geschichten. Aber auch in den 80er Jahren gab es immerhin 5 Saisons mit Europapokalspielen und einem nassen Ende bei Espanyol Barcelona. Meine Geschichte hinter der fünften Tür ist jedoch den fünf Europapokalgegnern in den 90er Jahren gewidmet.
Zu Beginn der 90er Jahre lauschte man als „Greenhorn“ in der Szene gerne den Geschichten von den Auswärtstouren im Europapokal. Hier war aber gar nicht „Endspiel Rom 1977“ das Thema, sondern die Busfahrt nach Guimarães ins nördliche Portugal. Damals, vor meiner Zeit als aktiver Fan, gab es eine legendäre Tour mit dem Bus nach Portugal zum UEFA-Pokal Auswärtsspiel gegen Vitória Guimarães und anschließend die Weiterfahrt nach Bremen, wo es einen noch legendäreren 7:1 Auswärtssieg gegen Werder zu feiern gab. Schlafen am Strand von Portugal und Strapazen einer endlos langen Busfahrt für gemeinsame Momente mit Borussia vermittelte Werte in die Szene, unabhängig von Sieg oder Niederlage.
1995/96 war es für mich nun endlich auch soweit: Mit dem Pokalsieg 1995 qualifizierten wir uns für den Europapokal der Pokalsieger. Damals, der zweitwichtigste europäische Wettbewerb, heute zugunsten der Euro League abgeschafft. Aber das ist eine andere Geschichte.
Endlich konnte man selbst Teil der Europapokal-Auswärtsfahrer Geichte werden. Gebannt verfolgte man am Radio die Auslosung: Spannung pur, und gelost wurde: Sileks Kratovo. Ok, erst einmal den Atlas rausgeholt und gesehen, dass es in Mazedonien liegt. Dann glühten die Telefondrähte. Wie kommt man überhaupt dahin? Gut, dass erst das Rückspiel dort stattfand. So hatten wir noch etwas Zeit. Am Ende gab es zwei Flugangebote. Wir vom FPMG hatten uns für Macedonian Airlines entschieden. Gespielt wurde in Skopje, der Hauptstadt von Mazedonien. Ein großes Hotel mitten in der Stadt sollte dort die Bleibe für eine Nacht sein. Nachdem am Ende der Saison 94/95 klar war, dass wir im Europapokal dabei sind, gab es innerhalb der Fanszene einiges „Egal wohin, egal wie weit, wir sind dabei“ Getue. Borussen Klaus „BK“ nahm dieses Gerede zum Anlass, von jedem „Vieltrinker“ 100 DM einzusammeln, quasi als Vorkasse für das Versprechen, auch tatsächlich „egal wohin“ dabei zu sein. Mit dieser Reisekasse im Gepäck, natürlich gab es doch den ein oder anderen Ausfall, zog BK in die erst gelegene Kneipe, legte das Geld auf den Tisch und sagte: „Hierfür bitte Bier“. Der Wirt führte die Truppe dann zu seiner Lagergarage, machte das Tor auf und sagte: „Bitte, bedient euch!“…
So entstehen also die Geschichten…
In der nächsten Runde ging es dann nach Athen zu AEK. Am Flughafen gab es als leichtes Handgepäck eine freundliche Geste der Brauerei Diebels. Daher wurde gerne von Weißblechdosen nach Athen auf unserem Charterflug gesungen. Am Vorabend unseres Spiels schauten wir uns das Spiel von Panathinaikos Athen gegen FC Porto an. Ein müdes 0:0, aber eine super Stimmung im Olympiastadion von Athen. Am Folgetag im Stadion Nikos Goumas waren wir noch so inspiriert, dass wir ein paar Panathinaikos Sprechchöre zum Besten gegeben haben. Umgehend sind Münzen in unseren Block geflogen. Das hat uns natürlich noch mehr inspiriert „Panathinaikos“ – Münz, Münz… 1.000 Drachmen sind sicher nicht zusammengekommen, aber der Geldschein erinnert mich jedes Mal an dieses Erlebnis.
Nach dem Spiel mussten wir einige Meter durch einen dunklen Park. Aus Sorge vor Athener übergriffen mussten wir das Weiterkommen in die nächste Runde still und leise feiern. Somit wurde in dieser Nacht die „taubstummen Humba“ erfunden. In Pantomime wurde für Außenstehende sicher eine ungewöhnliche Aufführung gezeigt. Es ging dann zum Flughafen und „N‘abend allerseits“ Heribert Faßbender durfte mit ausgelassen feiernden Gladbachfans die Wartezeit bis zum Abflug verbringen.
Mit dem Heimspiel gegen AEK Athen am 19.10.1995 endete übrigens die Europapokalgeschichte für den Bökelberg. Wie schon in der guten alten Zeit der 70er Jahre wurde gegen namhafte Gegner in Düsseldorf im Rheinstadion gespielt. Im Viertelfinale wartete Feyenoord Rotterdam dort auf uns. Und damit auch eine Menge Gewaltpotential. In Feyenoord eskalierte es dann erst recht. Ich halte mich hier bewusst kurz: Seit dem 21.03.1996 ist für mich das Motto des FPMG „Stimmung ja, Randale nein“ noch einmal in einen komplett anderen Fokus gerückt worden.
Nachdem auch sportlich in dieser Saison Endstadion im Europapokal war, durften wir allerdings in der Folgesaison noch einmal im UEFA-Pokal ran. In der ersten Runde das Traumlos gegen Arsenal London im alten Highbury Stadion. Ein Wahnsinnserlebnis. Mit Bussen ging es auf die Insel. Für alle überraschend lief unsere Borussia komplett schwarz gekleidet zu diesem Spiel auf und gewann 3:2. Zum Anpfiff hatten wir eine kleine Pappchoreo organisiert. Auf den Sitzplätzen wurde wie üblich gestanden. Da half auch der Hinweis: „Bitte setzen Sie Sich – sonst werden sie alle verhuftet“ (Kein Schreibfehler) über die Anzeigentafel nichts. Zur zweiten Halbzeit durften sich auch die Arsenal-Fans stellen. Ein unvergesslicher Moment, als sich die Heimkurve plötzlich erhob und applaudierte…
Den Abschluss bildete der AS Monaco. Leider versemmelten wir das Hinspiel 2:4 - wie auch gegen Arsenal standen wir hierbei übrigens in der Südkurve des Müngersdorfer Stadions - , sodass ein Weiterkommen eigentlich unmöglich war. Trotzdem fuhren wir mit Bussen über 16 Stunden an die Côte d'Azur und feierten unsere Mannschaft mit einem Plakat „Wir glauben nicht an Wunder, wir glauben an Euch“. Dieses Plakat nahm die Mannschaft nach dem Spiel vom Zaun, drehte es um und zeigte es der Kurve. Mit diesem erhabenen Moment schloss sich für 16 Jahre das Kapitel Europapokal. „Seht her, dieses Europapokalbier wird für lange Zeit das letzte sein“ hatte aber in diesem Moment keiner zum Besten gegeben.