Pfui Deibel, Red Bull
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- Veröffentlicht am 07. Mai 2014
Ein Kommentar von Daniele Schumann. Bis in die Zweite Liga haben sie es jetzt geschafft, die „Roten Bullen“ aus Leipzig. Der Aufstieg war von vielen gleichermaßen prognostiziert wie befürchtet worden. Jetzt haben wir sie also bereits im höherklassigen Fußball an den Hacken. Und dabei kämpfen wir doch schon mit den Plastikclubs aus Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen. Ganz zu schweigen von den langweiligen Plastik- und Kommerzarenen, die das altehrwürdige Stadion an nahezu jedem Standort mit Profifußball ersetzt haben. „Gegen den modernen Fußball“ ist ein beliebter Slogan, durchgesetzt hat er sich nicht.
Lassen wir die Stadionfrage mal beiseite - schließlich hat unsere Borussia auch eine neue Heimat, die sich nicht wesentlich von anderen neuen Stadien unterscheidet - und betrachten mal die drei Plastikclubs. Alle drei verfügen über imposante finanzielle Mittel, das haben sie auf jeden Fall mit RB Leipzig gemeinsam. Trotzdem unterscheidet Wolfsburg und Leverkusen noch etwas von Hoffenheim und Leipzig: Immerhin gab es an diesen Standorten lange vor der Bundesligazugehörigkeit schon die Betriebssportmannschaften, aus denen dann letztlich der Bundesliga-Verein entstand. Die Kommerzialisierung kam also immer noch nach dem Fußball.
In Hoffenheim hatte eine Einzelperson das Bestreben, einen Fußballverein aufzubauen und hat das mit seinen finanziellen Zuwendungen auch geschafft. Ok, er hat sich eines bestehenden Vereins bedient, aber dieser Verein ist nicht mehr als nur ein Namensgeber, selbst wenn es der Heimatverein von Herrn Hopp sein sollte. Eine gewisse Fußballaffinität allerdings kann man auch Hopp nicht absprechen. In Leipzig geht die ganze Sache einen wesentlichen Schritt weiter.
Hier wird nicht ein Verein kommerzialisiert, hier gründet der Kommerz einen Verein. Hier geht es nicht um hochklassigen Fußball, der eine Werbebotschaft transportiert, sondern um eine Marketingstrategie, die sich einfach eines Mittels bedient, das gerade hochpopulär ist, nämlich Fußball. Fußball ist allerdings ein beliebiges und austauschbares Mittel, wäre Sackhüpfen gerade up-to-date, hätte man einen Sackhüpfverein gegründet. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied. Es fehlt die für echte Fußballfans ganz entscheidende Leidenschaft für diesen Sport und noch viel mehr für einen Verein, die eben vor allem eines nicht ist: beliebig und austauschbar.
Würde jetzt durch einen absurden Zufall morgen ganz Leipzig von Außerirdischen in den Weltraum gebeamt (‘tschuldigung, liebe Leipziger, Euch meine ich ja nicht, ich hoffe, Ihr könnt mir die pauschalisierende Formulierung nachsehen.), dann würde sich die Firmenleitung des Süßbrüheherstellers kurz neu orientieren und den ganzen Bockmist wieder irgendwo anders installieren. Es geht nämlich nicht um Leipzig (Leider, liebe Leipziger, leider…) und auch nicht um Fußball. Es geht nur darum, was der Fußball transportieren soll.
Spaßeshalber mag doch jeder mal kurz die Augen schließen und sich überlegen, welche Assoziationen er zu seinem Club hat, für welche besonderen Eigenschaften sein Club steht, ob es gar so etwas wie Werte gibt, die mit dem Club in Verbindung gebracht werden, besondere Fähigkeiten oder ähnliches. Und dann einfach mal weitermachen mit anderen Clubs, auch mit solchen, die man aus unterschiedlichen Gründen nicht leiden kann. Wer wirklich Fußballfan ist, dem fällt garantiert zu jedem größeren Club etwas Spezielles ein, ob das jetzt die „Malocherclubs“ aus Dortmund und Schalke, „die graue Maus“ aus Bochum, die Arroganten aus München, die Unkonventionellen oder Studenten aus Freiburg sind usw. usf. Es geht gar nicht darum, ob dieses Bild, diese Assoziation der Wahrheit entspricht zum aktuellen Zeitpunkt, es geht darum, dass diese Assoziation im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entstanden ist und den Verein und das Selbstgefühl seiner Anhänger prägt und vermutlich entscheidend zur Identifikationskraft des Vereins beträgt. Natürlich fallen einem auch noch jede Menge anderer Dinge ein, die im Allgemeinem mit dem Fußballsport in Verbindung gebracht werden wie Teamgeist, Fairness, Zusammenhalt, Siegeswillen, Sportlichkeit, Ehrgeiz, Erfolg usw.
Und was fällt einem ein, wenn man an RB Leipzig denkt? Etwas, ein Merkmal, eine Eigenschaft, etwas Einzigartiges kann einem nicht wirklich einfallen, da der Verein 2009/10 erstmals auftrat (nachdem man die Startrechte des SSV Markranstädt in der Oberliga übernommen hatte). Es bleiben also eigentlich nur die allgemeinen Werte wie eben genannt: Teamgeist, Fairness, Zusammenhalt, Siegeswillen, Ehrgeiz, Erfolg… Und genau diese Werte sollen jetzt gar nicht nur mit einem Verein - der ist ja nur das Vehikel - sondern mit dem Konzern, der den Verein gründete und ihm den Namen gab, mit einem Produkt in Verbindung gebracht werden. Das nenne ich mal Direktmarketing. Es gibt sicherlich Fachleute, die das mit schlauen englischen Fachwörtern viel besser beschreiben können als ich, aber ich bin ja nur ein - wenn auch nicht ganz doofer - Fußballfan und dabei auch nur einer von vielen.
Und genau das macht diese Red-Bull-Geschichte und diesen Verein für mich so abstoßend. Die Werte und Besonderheiten meines Sportes sollen mit einem zweifelhaften Produkt in Verbindung gebracht werden und zum Steigerung des Verkaufs beitragen. Das ist auch der entscheidende Punkt, warum sich die leidenschaftlichen Fußballfans in ihrer Abneigung gegenüber RB Leipzig so einig sind und das über alle Vereinsgrenzen hinweg. Das ist Kommerzialisierung, wie sie den Fußball ins Mark trifft. Pfui Deibel, was für eine Drecksbrühe. Was wäre das für ein schöner Gedanke, dass die Plörre einfach in ganz Deutschland keiner mehr kauft…