Unsere Nachbarn und die Sbornaja steigen in die WM ein
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- Veröffentlicht am 17. Juni 2014
Den Protagonisten dürfte die Wartezeit unerträglich gewesen sein. Nach dem Eröffnungsspiel musste die Gruppe H fast eine Woche auf ihren ersten Spieltag warten. Während Gastgeber Brasilien bereits zum zweiten Mal antritt, steigen unsere belgischen Nachbarn, Russland, Algerien und Südkorea heute Abend erst in das Turnier ein. Geht es um Geheimfavoriten für den Titel, wird immer wieder Belgien genannt. Im Spiel gegen Algerien können die Diables Rouges zeigen, was sie drauf haben.
Belgien gehört aufgrund seiner Größe traditionell zu den Ländern, dem seine besten Kicker nicht lange treu bleiben. In der Jupiler League werden überschaubare Gehälter gezahlt, wodurch auch der aktuelle Nationaltrainer Marc Wilmots, einer der Schalker Eurofighter sein Team weitgehend aus Legionären zusammenstellen muss. Ein Fakt, der die Belgier nach erfolgreichen 80ern lange Jahre im sportlichen Mittelmaß verschwinden ließ. Bei den letzten fünf Großturnieren (2x WM/3x EM) waren die Rode Duivels gar nicht mehr vertreten.
Mittlerweile haben sich belgische Fußballer wieder einen Namen gemacht und stehen zum Teil bei den europäischen Topclubs unter Vertrag. Gleich 11x ist die Premier League vertreten, mit Daniel van Buyten (FC Bayern) und Kevin De Bruyne (VfL Wolfsburg), an dem bekanntermaßen auch unsere Borussia interessiert war, vertreten auch zwei Bundesligaspieler die schwarzgoldroten Farben unserer Nachbarn. Für Filip Daems ist die Karriere in der Nationalmannschaft schon längere Zeit beendet. Zwischen 1999 und 2009 lief unser Kapitän insgesamt sieben Mal für die Roten Teufel auf.
Ihren Status als Geheimfavorit leiten unsere belgischen Nachbarn vor allem aus der ausgesprochen erfolgreichen WM-Qualifikation ab, in der immerhin 26 von 30 möglichen Punkten geholt wurden, wodurch vor allem der Gruppenzweite Kroatien souverän auf Distanz gehalten werden konnten.
Im ersten Gruppenspiel trifft Belgien heute Abend auf Algerien, einem der fünf Afrika-Vertreter bei der WM. Zu Algerien fällt insbesondere den Älteren unter uns sicher sofort eine der schändlichsten Stunden der deutschen WM-Geschichte ein: bei der WM 1982 in Spanien benötigten Deutschland und Österreich beim abschließenden Gruppenspiel genau ein 1:1, um beide ins Achtelfinale einzuziehen. Beim „Nichtangriffspakt von Gijón“ kam es exakt zu diesem Ergebnis, während die Algerier fassungslos zusehen mussten. Sie hatten ihr letztes Vorrundenspiel bereits ausgetragen und mussten als Gruppendritter frustriert die Heimreise antreten. Nach der WM in Spanien wurde der Turniermodus geändert; die jeweils letzten Gruppenspiele werden seitdem zeitgleich ausgetragen.
Wir Borussen bringen Algerien natürlich auch mit Karim Matmour in Verbindung, der am Niederrhein zwischen 2008 und 2011 immer mal wieder sein zweifelsohne vorhandenes Talent aufblitzen ließ, sich letztlich mit vier Toren in 77 Spielen aber doch nicht wirklich durchsetzen konnte. Mit dem 1.FC Kaiserslautern verpasste der sympathische Algerier in der abgelaufenen Saison den Aufstieg in die Bundesliga nur knapp.
Mit Russland ist in Gruppe H der Gastgeber der nächsten WM vertreten. Die Sbornaja dürfte wie eigentlich immer in den letzten Jahren als „Wundertüte“ gelten. Zwischen begeisterndem Angriffsfußball und totalem Versagen ist alles drin. Fest steht, dass die Russen das einzige WM-Team stellen, in dem alle Spieler ihre Brötchen im eigenen Land verdienen - die Millioneninvestitionen der Oligarchen machen es möglich, auch die heimischen Topspieler bei den russischen Clubs zu halten. Große Erfolge auf internationaler Bühne konnte man im Vereinsfußball trotzdem nicht einfahren. Der Dominanz der großen westeuropäischen Ligen konnte die „Premjer-Liga“ insbesondere auch mit zahlreichen Südamerikanern bisher nichts Wesentliches entgegensetzen. Dementsprechend ist auch offen, welche Rolle das Team von Fabio Capello, der die Sbornaja in höhere Sphären des Weltfußballs führen soll, bei dieser WM spielen wird. Die Qualifikation wurde zumindest souverän überstanden. Sicher bemerkenswert, dass die Portugiesen gegen die Russen das Nachsehen hatten. Trotzdem bleibt abzuwarten, was die Wundertüte dieses Mal „auspacken“ wird.
Zu später Stunde heute Nacht trifft Russland auf die Republik Korea, allgemein Südkorea genannt. Ähnlich wie ihre japanischen Kollegen konnten auch die südkoreanischen Fußballer von der Heim-WM 2002 erheblich profitieren. Gleich fünf Spieler aus dem ostasiatischen Land schnüren ihre Stiefel für Bundesligisten, andere hat es in die Premier League gezogen. Sie alle folgen damit ihrem Vorbild Cha Bum-Kun, der schon 1978 - damals als echter Exot - nach Deutschland (Darmstadt 98) kam und zwischen 1979 und 1989 für Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen über 300 Bundesligaspiele absolvierte.
Südkorea ist seit 1986 Stammgast bei den Fußballweltmeisterschaften. Meistens war nach der Vorrunde Schluss, bei der Heim-WM gelang jedoch eine Sensation. Sicher auch dank eines begeisterungsfähigen Publikums wurde Südkorea unter Trainer Guus Hidding nach Halbfinalniederlage gegen Deutschland Dritter. Derartiges dürfte bei dieser WM unwahrscheinlich sein. Angesichts der Konkurrenz aus Belgien und Russland dürfte bereits das Überstehen der Vorrunde eine große Überraschung sein.