„Fahnenmafia“ gegen FIFA-Mafia…
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- Veröffentlicht am 25. Juni 2014
Die „Fahnenmafia“ steht bewusst in Anführungszeichen, es handelt sich also nicht wirklich um eine Mafia, die FIFA-Mafia steht bewusst nicht in Anführungszeichen, es handelt sich also…
Von der Bierstandszene gerne mal verständnislos belächelt bemühen sich die Angehörigen der Fahnenmafia oft unter gehörigem Aufwand von Zeit darum, ihre Fahne im Stadion (möglichst optimal) zu platzieren, sei das bei Heim- oder Auswärtsspielen in der Bundesliga oder bei internationalen Spielen und Turnieren. Dabei gibt es zwischen den Fahnenbesitzern noch erhebliche Unterschiede. Der eine hängt sein Banner da auf, wo er gerade sitzt, der andere bemüht sich ehrgeizig um einen telegenen Hängeplatz seines Stoffes, so dass er möglichst häufig von der Kamera erfasst wird.
So oder so, die Zaunfahne gehört bei allen Fans - auch bei der Bierstandszene, die einfach nur andere Fahnen mit ins Stadion bringt - zum festen Bestandteil der Fankultur. Denn jeder Fan eines Vereins oder einer Nation sieht es mit Stolz, wenn er das Stadion geschmückt mit seinem Wappen oder in seinen Farben sieht. (Ich kann mich an Fernsehübertragungen erinnern, bei denen der Fußball, der eigentlich gezeigt wurde, vollkommen in den Hintergrund rückte, in dem Bestreben, möglichst viele der im Hintergrund erkennbaren Zaunfahnen zu lesen…)
Jetzt hat die FIFA bei der WM in Brasilien beim Spiel Deutschland gegen Ghana Zaunfahnen abhängen lassen (Wir lassen das Lamentieren „Das-war-alles-nur-ein-Missverständnis…!“ mal außen vor, davon glaubt der kundige Fußballfan ohnehin kein Wort.) und im ganz Besonderen noch eine Gladbach-Fahne, nämlich „Selfkant“, langjährigen Borussen-Fans bestens vertraut. Auch die „Pinkis“ - genauso bekannt - waren betroffen. Fahnen nicht mehr erwünscht? Aber ja!
Selbstverständlich sind Fahnen erwünscht. Allerdings sollte dann auf den Fahnen einer der Sponsoren zu sehen sein. Die haben ja schließlich für viel Geld ihr Alleinstellungsmerkmal „Ich werbe hier.“ erworben. Völlig unerwünscht ist alles, was von den Logos und Werbebotschaften der Sponsoren ablenken könnte, also auch Zaunfahnen. Da gucke ich ja z. B. drauf. Und vermutlich noch andere. Vielleicht zu viele andere. Wenn ich Grosblie (Ich weiß noch nicht mal, wer oder was das ist!) und Thalheim nicht sehe, mache ich mir Sorgen. Krank? Tot? Kein Ticket bekommen? Wo um alles in der Welt ist Air Bäron? Hat Menden/Sieg aufgegeben? Oder ist Dudenhofens Sohn der Nachfolger? Ratingen auch nicht da, komisch. Und in der Zwischenzeit habe ich keine einzige Botschaft auf der Werbebande gelesen, pfui.
Ich weiß gar nicht, ob die Frage ist, dass auf der ganzen Welt nur ein einziges Glas Coca Cola weniger getrunken wird, weil eine Zaunfahne im Hintergrund der Werbebande den Blick des Zuschauers - insbesondere natürlich den des Fernsehzuschauers - von der Cola-Werbung ablenkt. Ich fürchte nein. Ich denke, es geht um was ganz anderes. Es geht darum, dass im Stadion mehr Menschen erwünscht sind, die Coca Cola toll finden, als die, die Zaunfahnen toll finden. Natürlich trinken auch Fahnenmafiosi Cola, aber das trifft ja nicht den Punkt.
Der Zaunfahnenaufhängfan entspricht einfach nicht wirklich dem Beuteschema der FIFA, ganz einfach, weil man davon ausgehen kann, dass er ein richtiger Fußballfan ist. Er verzehrt sein Bier und seine Wurst (oder was immer da in Brasilien kredenzt wird) außerhalb des Stadions, da viel billiger. Er sucht nur Fan-Artikel aus, die einen Bezug zu seinem Verein, seinem Land und seinem Sport haben, bei denen möglichst wenig oder am besten gar keine Werbung vom Wesentlichen ablenkt, nämlich seinem Verein, seinem Land, seinem Sport. Das ist für die FIFA ungefähr so, wie der Kaufhaus-Kunde, der vom Verkäufer angesprochen antwortet: „Nein, danke, ich schau mir nur mal um.“ JA, wie umschauen? Kaufen sollst Du, kaufen, kaufen, kaufen…
Dass Fußballfans beim Fußball nicht mehr erwünscht sind, ist ja kein ganz neuer Trend, das spiegelt sich ja auch in den europäischen und auch in den deutschen Wettbewerben immer deutlich wider. (Es gibt Vereinsgeschäftsführer, die kriegen einen Schweißausbruch, wenn sie das Wort „Dresden“ nur hören…) Die Frage ist nur, ob der Fußballfan das Durchhaltevermögen hat, sich diesen Vergraulaktivitäten zu widersetzen. Die Mexikaner haben vorgemacht, dass man mit so simplen Sachen wie „Pepsi“-Rufen schon ordentlich Furore machen kann. Denn was soll man dagegen machen? Die Alternative wäre ein leeres Stadion, was allerdings für die Sponsoren wiederum völlig uninteressant ist.
Vielleicht „hilft“ man der FIFA sogar, wenn man sie von ihrer Sponsorenabhängigkeit befreit. Vielleicht doch eher eine Sponsorenmafia statt eine FIFA-Mafia? Wie abhängig der ganze FIFA-Apparat von den Sponsoren ist, das vermag wohl nur ein extremer Insider zu durchblicken. Es wirkt auf jeden Fall ganz eindeutig so, als hätte die FIFA sich kaufen lassen. Was muss Sony wohl zahlen, wenn sie sich darüber aufregen, wenn ein Spieler mit einem anderen (vermutlich besseren) Kopfhörer rumläuft? Aber diese finanzielle Abhängigkeit, vielleicht gar Bestechung, hat es in sich, dass es kein Opfer, sondern nur zwei Täter gibt. Denjenigen, der abhängig macht, den „Bestecher“, und denjenigen, der sich abhängig machen lässt, den Bestechlichen.
Utopisch zu glauben, dass die FIFA sich jemals wieder aus dieser Abhängigkeit lösen kann. Und bei aller Kommerzialisierungskritik hatte die Zaunfahnen-Aktion der FIFA nun genau den von allen Fußballfans erwünschten Effekt: Statt über Coca Cola spricht man nur noch über Fankultur und Zaunfahnen. Man kann also auch als Fan noch ein Zeichen setzen für die Fankultur. Never surrender!