Stadionbesuch gestern und heute - ein Vergleich
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- Veröffentlicht am 25. Juli 2015
Sommerpause, Zeit für Rückschau und Vorfreude. Jahr für Jahr ähnliches Ritual, oder war früher doch alles anders? Der Versuch eines Vergleiches aus privater Sicht: Vor ca. 40 Jahren kaufte man sich am Bökelberg die Eintrittskarte ganz gemütlich am grauen, schmalen Kassenhäuschen mit blauer Fensterlade. Die Schlangen davor waren überschaubar, Karten gab es meist genug. Selbige hatten eine vorgestanzte Abreißecke und einen Querverweis auf den Sportgroschen und Rahmenprogramm. Ganz selten hatten wir den Verkehrsverein im Vorverkauf bemüht, meistens gegen Bayern oder K**n. Wir erinnern uns an Zuschauerschnitte von unter 20.000, selbst in erfolgreichen Jahren.
Heute ist das Tagesticket aufgrund der extrem gestiegenen Zuschauerzahl im Borussia-Park fast aus meinen Augen entschwunden. Man hat vorgesorgt und eine Dauerkarte auf Lebenszeit - recht so. Man geht ja eh zu fast jedem Spiel. Fakten schaffen, Gutes bleibt. Eine grüne Lampe am Drehkreuz ersetzt nun den Kartenabreisser am Eingang.
Die Anreise zum Stadion hat der Schreiberling dieser Zeilen bis heute nicht vergessen: Mit Auto oder Linienbus ging es relativ kurz vor Spielbeginn Richtung Bökelberg. Damals noch an Vaters führender Hand wurden die Fixpunkte Haltestelle, Eckkneipe, Tuppen, Freigetränk nach Wahl und Fußmarsch durch Eicken abgehakt. Ausstaffiert mit Baumwolltrikot (ohne Werbung, aber mit draufgenähtem Vereinswappen), Fanschal (2 Meter, selbstgestrickt) und Minifahne in DIN-A-3-Format suchte man vor dem Stadion gezielt ein Fohlen-Echo (= lange war es kostenlos).
Heutzutage wird das Fohlen-Echo im Abo gerne auch vorab zugepostet. Zum Nordpark fahren wir im Shuttlebus, das FanHaus ersetzt die Eckkneipe. Die Tagesuniform sind nun ein Fanclub-Shirt oder doch ein Polyfaser-Trikot mit Mesh-Applikationen und unumgänglichen Werbepartnern darauf. Zusätzlich gibt es Seidenschals mit unterschiedlichen Motiven. Gerne wird das Tattoo gezeigt, die Fahne wird oft nur noch beim Flag-Day mitgenommen. Die Stadionkappe mit Plastikschild wird heute vom Bandana oder Basecap ersetzt. Oma's Plümmelwollmütze ist fast vom Aussterben bedroht.
Von Weitem sah das geübte Auge den WDR-Übertragungswagen mit langem Antennenmast. Hurra, unser Spiel kommt abends in der ARD-Sportschau.
Im Stadion angekommen suchten wir früher gerne als erstes den Bauchladenverkäufer auf. Ob Zigaretten, Lakritze oder Schokoriegel und Kaugummi, alles war dort im Angebot und liebevoll vor der Plautze drappiert. Irgendwo rannte zudem immer ein Eismann herum ("Schokkkolade, Sahne, Eis hier noch!"). Dann gab es die halbverbrannte, lange und sauleckere Stadion-Bratwurst bevor man sich irgendeinen Block zum Stehen aussuchte
Heute ist das Gastroangebot vom Großcaterer vor Ort. Natürlich mehr Artikel, aber teilweise seltsam vorgeformt und mitunter oft lauwarm. Aber es ist natürlich auch ungleich schwerer, für über 50.000 Zuschauer zeitgleich zu kochen als vor nur 17.000 Fans. Wir bleiben also fair im Vergleich. Der dünne 0815-Plastikbecher wird heute oft vom aufgehübschten Pfandbecher ersetzt. Getrunken wird dennoch :-).
Die Toilette frequentiert, den Block erreicht, sah man früher das Jugendspiel im Vorprogramm (BMG F-Jugend gegen Tus Knickebein 24:1). Heute gibt es werbeträchtige PR-Gigs auf dem Rasen und an den Screens. Überdimensionale Maskottchen bezirzen die Kids (Jünter, wir lieben Dich!). Vor dem Anpfiff hatten wir früher die Fahnenanbetung von 1-2-3 Fans im Mittelkreis. Borussen-Leo : Was ist aus Dir geworden??? Dafür läuft dann heute die "Elf vom Niederrhein", und mitunter gibt es phantastische Choreographien, Gänsehaut pur für alle im Stadion!
Gerne in Erinnerung: die Konfettiwand zum Einlauf. Müllsäckeweise gab es Pilsdeckelchen oder Reißwolfabfälle. Selber haben wir alte Telefonbücher bis zum Handwurzelkrampf zerrissen und in Päckchen in die Luft geworfen. Das dünne Papier flatterte minutenlang. Bis eines Tages gegen Bayern zeitgleich Wunderkerzen geworfen wurden, und der Brand der Nordkurve in Block 16 dem Konfettitreiben lange ein Ende setzte. Meine persönlich miesesten Grüße posthum an denjenigen Kurzdenker! Schade, schade...
Heute sind wir selber jeder online mit allen Spielen und brauchen kaum noch die klassische Halbzeitergebnis-Durchsage, Tor-Jingle und Handy-App sei Dank. In der Halbzeit war mein persönlicher Favorit: Die Rasentreter-Truppe in den hell- und dunkelblauen Borussia-Trainingsanzügen mit Gummistiefeln! Traumjob damals.
Nach früher zwei und heute dreimal Auswechseln kam damals wie heute der Schlusspfiff nach 90+??? Minuten. Alle Ergebnisse dann auf dem Totalisator bzw. in der Rolf Göttel-Mikrofon-Durchsage; heute auf der Multifunktionswand und in allen Farben direkt mit neuer Tabelle. Spiel aus, dann nach Haus. Heuer dann doch gerne auch noch mal ins FanHaus oder zur dritten Halbzeit an irgendeinen Zapfhahn, Eventfinale.
Fußball im Wandel der Zeit. Geblieben ist jedoch immer die Liebe zum Sport, zum Spiel, zum eigenen Verein. Ein Spiel dauert (meist) 90 Minuten, und der nächste Gegner ist der schwerste. Sepp H. sei Dank, Fachsimpeln ist geblieben. Dummklön ebenfalls, recht so!
Fazit: Einiges ist geblieben, vieles hat sich verändert! Sowohl zum Guten wie auch zum weniger Guten. Spezieller Charme wird oft erschlagen von Massenabfertigung. Das gehört dazu im Kommerzzeitalter. Aber eins, aber eins, das bleibt bestehen: Der VfL wird niemals untergehn! In diesem Sinne: Auch in der Champions League-Saison unvergessen tolle Stadionbesuche für alle Fohlenfreunde!