Erklär‘ mir den Fußball: Heute Niederlande

"Oranje boven, Oranje boven". Dies ist wohl mit der bekannteste Schlachtruf unserer westlichen Nachbarn, wenn sie, reisefreudig und sangesfroh  wie sie sind, ihre Nationalmannschaft - die "Elftal" - begleiten und Städte und Stadien in leuchtendes Orange hüllen. "Welkom in Nederland" auf unserer Reise durch den europäischen Fußball. Der Fußballverband der Niederlande wurde 1889 als "Nederlandsche Voetbal en Athletische Bond" (NVAB) gegründet. Erst sechs Jahre später schieden die Athleten aus, und der Verband firmierte bis 1929 als NVB. Dann verlieh ihm Königin Wilhelmina den Titel "Koninklijk".


Der niederländische Fußball trat bis in die 70er Jahre eigentlich nur relativ wenig in Erscheinung. 1908, 1912 sowie 1920 beim olympischen Fußballturnier konnte das Team um den englischen Trainer und fußballerischen Entwicklungshelfer Fred Warburton die Bronzemedaille gewinnen. Star der Mannschaft war zu jener Zeit ein gewisser Jan de Natris. 1920 wäre für Oranje sicher mehr als nur der dritte Platz möglich gewesen. Aber ein heftiger interner Streit zwischen Spielern und Funktionären, die sogenannte "Schande von der Schelde", verhinderte dies jedoch.

 

Bei den Weltmeisterschaften 1934 und 1938 fand die Elftal jeweils ein frühes Ende, und so dauerte es bis in die 70er Jahre, bis der niederländische Fußball in der Welt wieder für Aufmerksamkeit sorgte. Vereine wie Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam hatten sich im europäischen Vereinsfußball bereits einen guten Ruf erarbeitet und einige Trophäen erringen können. Zur Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik Deutschland konnte sich dann auch endlich die Nationalmannschaft wieder qualifizieren. Was die Zuschauer aus aller Welt dann allerdings von Oranje geboten bekamen, war Fußball vom Allerfeinsten. Der sogenannte "Voetbal totaal" dirigiert und angeführt vom genialen Spielmacher Johann Cruyff sollte seinesgleichen suchen. Dennoch reichte es nicht zum Titel. Die Geschichte ist bekannt, ein zumindest umstrittener Elfmeter, verwandelt von Paul Breitner sowie "kleines, dickes Müller" in seiner unnachahmlichen Art bescherten der bundesdeutschen Auswahl einen 2:1-Sieg, der aufgrund der zweiten Halbzeit im Finale von München sicherlich ein wenig als glücklich anzusehen ist. Allerdings unterstellte man der Elftal damals auch ein wenig Überheblichkeit. Für das Team um Cruyff und Rensenbrink war es vor dem Anpfiff keine Frage, ob sie das Finale gewinnen würden, sondern lediglich wie hoch. Und so versuchte man Beckenbauer, Müller und Co. der Lächerlichkeit preiszugeben und vergaß dabei den eigentlichen Sinn des Spiels, nämlich mindestens ein Tor mehr zu schießen als der Gegner.

 

Vier Jahre später stand das Team, diesmal ohne Superstar Johann Cruyff, wieder im Finale. Wieder gegen den Gastgeber, und wieder konnte man den Titel nicht ins Land der Grachten und Tulpen mitbringen. Mit 1:3 nach Verlängerung musste man sich Gastgeber Argentinien mit Torschützenkönig Mario Kempes geschlagen geben. Dabei hatte man noch in der 90. Minute den Siegtreffer auf dem Fuß. Doch ein Schuss landete am Pfosten der Gastgeber.

 

Nachdem die Stars der 70er in die Jahre gekommen waren und ihre Karriere beendet hatten, wurde es zunächst etwas ruhiger um Oranje. Erst 1988 konnte sich die Elftal wieder für ein internationales Turnier qualifizieren. Die Europameisterschaft, und wieder war Deutschland der Austragungsort. Eine neue Generation von begnadeten Fußballspielern, wie Ruud Guillit, Marco van Basten und Frank Rijkaard war herangewachsen, und diesmal hatte man sich den Erfolg fest auf die niederländischen Fahnen geschrieben. Und tatsächlich, mit einem 2:0 im Endspiel von München, und einem Tor von Marco van Basten, das in der Tat das Prädikat Weltklasse verdient, konnte sich das Team von Trainer Rinus Michels am Ende über das Team der Sowjetunion (die Älteren werden sich erinnern, was das war) mit dem späteren Borussen Igor Belanow erfolgreich durchsetzen.

 

Kurioserweise glich das Halbfinale gegen Gastgeber Deutschland wie eine Kopie des Endspiels der Weltmeisterschaft von 1974, nur mit umgekehrtem Ausgang.  Über die unschönen Szenen eines gewissen Herrn Koeman nach dem Spiel soll an dieser Stelle besser nicht berichtet werden. Überhaupt war die Rivalität zum großen Nachbarn hinter der Maas Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre extrem groß. Der Stachel von 1974 saß tief in der Oranje-Seele, und leider zog man in den Niederlanden zu dieser Zeit noch immer den unsäglichen zweiten Weltkrieg und den deutschen Überfall auf das kleine Land und dessen Besatzung mit in den Sport hinein. Zum Glück hat sich dieses Verhältnis zu unseren Nachbarn inzwischen deutlich verbessert. Die Rivalität ist geblieben, aber sie ist auf ein Niveau angestiegen, das sich inzwischen auf normalem Menschenverstand bewegt.

 

2010 bei der Fußballweltmeisterschaft, erstmals auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen, konnte sich  het Elftal zum dritten Mal für das Finale qualifizieren. Aber gegen die zu dieser Zeit übermächtigen Spanier war kein Kraut gewachsen, und man musste sich nach einem 0:1 nach Verlängerung zum dritten Mal mit Platz zwei begnügen.

 

Aktuell belegt das Team, das gespickt ist mit Stars wie Arjen Robben, Robin van Persie und vielen mehr, den 12. Rang in der FIFA Weltrangliste. Aber über den Wert, den diese Liste hat, lässt sich vortrefflich streiten. "Bondscoach" ist aktuell seit dem 1. Juli 2015 der ehemalige Profi Danny Blind.

 

Sehr interessant ist auch der niederländische Vereinsfußball. Über Vereine wie Ajax und Feyenoord ist ja eingangs schon mal berichtet worden. Die höchste Spielklasse in den Niederlanden heißt "Eredivisie", und sie wurde bereits sechs Jahre vor der Bundesliga im Jahre 1956 gegründet. In der Fünfjahreswertung der UEFA, nach der die Startplätze in den europäischen Vereinswettbewerben vergeben werden, belegt sie derzeit den achten Rang.

 

Seit Jahren spielen hier die großen drei Vereine, Ajax, Feyenoord und der PSV Eindhoven die dominierende Rolle. Ajax Amsterdam ist auch der Rekordtitelträger mit 25 Meisterschaften. Erst in den letzten Jahren konnten Vereine wie AZ Alkmaar und Twente Enschede in diese Phalanx einbrechen, und diesen "Übervereinen" die nationalen Meisterschaften streitig machen.

 

Ein Unikum ist der Playoff-Modus der Eredivisie um den Einzug in die Europa League. Die Fünft- bis Achtplatzierten spielen in einem K.o.-System um den dritten Startplatz für die lukrative Euro League. Kritiker sehen hierin eine Verzerrung des Ligaspielbetriebs. Und auch der Aufstieg bzw. der Klassenerhalt wird in einer Playoff-Runde ausgetragen. Nur der Letzte der abgelaufenen Saison steigt direkt ab. Der 16. und 17. der Eredivisie müssen sich mit den Qualifikanten aus der zweiten Liga, der "Eerste Divisie" im K.O.-System messen.