Ausgefallene Weihnachten
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- Veröffentlicht am 24. Dezember 2015
In den letzten Jahren gab es an dieser Stelle immer besinnliche Zeilen mit der Hoffnung auf bessere Zeiten für unsere Borussia zu lesen. Nun sind die besseren sportlichen Zeiten gekommen, aber von besinnlicher Weihnachtsfreude sind aktuell viele aus der aktiven Fanszene weit weg.
Ich persönlich bin zudem noch sehr geprägt vom tragischen Vorfall vor dem Darmstadt-Spiel. Ich hoffe, der schwerverletzte Fan wird wieder vollständig genesen. Genauso hoffe ich, dass es eine objektive Aufklärung des Vorfalls gibt. Die Vorverurteilung des Täters in den Medien ist mal wieder beschämend. Nur, weil es Fußballfans betrifft, wird ein brutales Bild gezeichnet, obwohl sich vielleicht in Wahrheit alles ganz anders abgespielt hat. Aber so funktioniert leider die heutige (Sensations-) Gesellschaft.
Abseits von diesem Vorfall sind weitere bedenkenswerte Entwicklungen in „unserem Fußball“ in diesem Jahr zu verzeichnen gewesen.
Noch nie war es so offensichtlich, dass der Fußballsport und die daraus resultierende Leidenschaft für den Verein immer mehr in den Hintergrund rückt. Macht- und Geldinteressen dominieren das Produkt Fußball. Inzwischen sind Grenzen erreicht, die an der Glaubwürdigkeit des Sports, an der Fairness und an weiteren positiven Werten zweifeln lassen.
Korruption, Strategien zum Machterhalt und Millionenbeträge als Spielgeld füllen die Schlagzeilen außerhalb des grünen Rasens. Die beiden mächtigsten Fußballfunktionäre für jeweils acht Jahre gesperrt, ein zurückgetretener ahnungsloser DFB-Präsident, der Lichtgestalt des Fußballs wurde das Licht ausgeknipst und keinen interessiert es, Ablösesummen für durchschnittliche Fußballer explodieren, Verträge werden nur geschlossen, um daraus aussteigen zu können. Die Anzahl der Leute, die nur damit beschäftigt ist, mit dem Produkt Fußball Geld zu verdienen, scheint immer mehr zuzunehmen.
Die Erfahrungen, die wir hierzu bei unserem ersten Auftritt in der Champions League gesammelt haben, waren erschreckend. Das große Juventus Turin ist nur ein Mythos ohne Leidenschaft. Noch nie habe ich so eine kalte Stadionatmosphäre in Italien erlebt wie im Juventus Stadium am Ort des alten Stadio delle Alpi. Zur Halbzeit werden Banner von den Heimfans eingerollt. In der Stadt Turin selbst kaum positive Stimmen der Einheimischen für Juve. Gruselig.
Noch gruseliger die millionenschwere Plastik-Truppe von Manchester City mit dem „… only sing when you winning…“-Publikum. Fankultur? Fehlanzeige… Übrigens von der UEFA auch nicht mehr gewünscht. Emotionen werden unter Strafe gestellt. Da bei der Choreo gegen Sevilla etwas auf den Platz geweht wurde und dadurch das Spiel ein paar Sekunden später losgehen konnte, wurde der Verein mit einer Geldstrafe belegt, oder war es doch für das Spruchband: „You don’t care about football – you care about money“? Wer weiß…
Was bedeutet das alles für unsere „schöne Insel“ Borussia Mönchengladbach mit unserem positiven Wertesystem, unserer tollen Jugendarbeit und unserer gemeinsamen Leidenschaft?
Gehen wir bald unter wie die vielen Inselstaaten, die trotz neuen Vertrags bei der Weltklimakonferenz keine Hoffnung mehr haben oder gibt es bei der FIFA und der UEFA und dem DFB eine Rückbesinnung auf die wertvollen Dinge, die der Fußball hat, und diese wieder in den Vordergrund rückt? Auf meinem Wunschzettel steht das. Aber die Bescherung fällt zumindest dieses Jahr aus…
Ebenfalls gewünscht habe ich mir, dass die Politik das Thema Sicherheit im Fußball objektiv betrachtet und keine Ursache-Wirkung-Modelle in die Welt setzt, die überhaupt keinen Zusammenhang haben. Irgendein kluger Mensch hat mal gesagt: „Unsinnige Äußerungen, die man ständig wiederholt, werden davon auch nicht sinnvoller.“ Da dieser Satz nicht als Paragraph in irgendeinem Gesetz auftaucht, muss sich ja keiner daran halten. Schade.
Auf jeden Fall gibt es berechtigte Zweifel, dass eine Reduzierung von Gästekontingenten die Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen verhindert. Schade hierbei ist, dass viele Vereine außerhalb unserer Borussia diese „Weltformel“ als Schutzschild nutzen, um mit ihren Fans das leidige Thema „Verantwortung für gutes Benehmen“ zu diskutieren. Wenn man sich jahrelang nicht um seine Fans kümmert, sich dann aber wundert, warum die ein gewalttätiges Eigenleben führen und es nicht mehr in den Griff bekommen, ist man natürlich froh, wenn der große Staat für sie in die Bresche springt.
Was bedeutet das alles für unsere „schöne Insel“ Borussia Mönchengladbach mit unserem positiven Wertesystem, unserer tollen Fanarbeit und unserer gemeinsamen Leidenschaft?
Leider nichts. Wir werden mit über den pauschalen Kamm geschoren. Fußballfans sind Sicherheitsrisiken. Das führt dann leider auch bei unserer Fanszene zu nicht nachvollziehbaren Aktionen der Polizei wie z. B. die intensive Durchsuchung der Busse auf dem Weg nach Manchester auf der A 61. Generalverdacht heiligt die Mittel. Sachlich begründet? Fehlanzeige. Da hab ich kein Verständnis für…
Das bringt mich nun aber doch zu einem positiven Ereignis der Fankultur. Ich bin sehr stolz über den Ablauf und die Resonanz zu unserem Boykott des Spieles in K. Es wurde ein deutliches, gewaltfreies Zeichen gesetzt, dass es noch möglich ist, unbequeme Positionen zu beziehen und hiermit Gehör in der Öffentlichkeit zu finden. Wir werden mit einer solchen Aktion nicht die Meinung von Herrn Jäger verändern. Aber wir konnten zeigen, was uns die Bewahrung unserer gewaltfreien Fankultur bedeutet. An der Stelle sei noch einmal betont, dass alle diejenigen, die in K waren und sich das Spiel vor Ort nicht entgehen lassen wollten, genauso Bestandteil unserer Fankultur sind. Meinungsfreiheit und keine Gleichschaltung ist ein hohes Gut und gehört zu unseren Werten.
Am Ende werde ich dann doch besinnlich. Vielleicht auch deswegen, weil ich meinen Frust über die vielen Dinge aus 2015, die an unserer Fankultur rütteln, mal auf den Punkt bringen konnte.
Ich wünsche euch allen ein friedliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2016 mit viel Gesundheit und vielen schönen Momenten mit unserer Borussia.
In diesem Sinne Thomas Ludwig