Jahresrückblick Teil 2: Von tiefen Tälern und hohen Bergen
- Details
- Veröffentlicht am 08. Januar 2016
Keine Sorge, wir sind noch bei der korrekten Sportart und natürlich beim richtigen Verein. Aber was wir in der zweiten Jahreshälfte 2015 an denkwürdigen Ereignissen zu verarbeiten hatten, erleben Fans anderer Vereine manchmal in ihrer gesamten Karriere nicht, Bayernanhänger nie. Jetzt nach ein paar Tagen Abstand und wo der Alltag nach dem Fest wieder eingekehrt ist, werfen wir einen kurzen Blick zurück auf die zweite Jahreshälfte.
Nach einer relativ ruhigen Sommerpause ohne Turnier und Europapokalqualifikationsspiele für uns, durften wir im Pokal montags beim FC St. Pauli antreten. Okay, Hamburg hat seinen Reiz, das Spiel wurde live im Free-TV übertragen, aber dennoch wünscht man sich in der ersten Runde einen sonnigen Samstagnachmittag auf einem Dorfplatz in der Amateurklasse, wo Fan nie wieder hinkommt. Als die Paulianer dann noch nicht unverdient mit 1:0 in die Pause gingen, konnte man schon leichtes Magengrummeln bekommen, in Halbzeit zwei aber wusste die Borussia zu überzeugen. Lars Stindl konnte seine ersten beiden Treffer erzielen, mit 4:1 hieß der Sieger Borussia, geht doch.
So konnte man auch mit breiter Brust am Samstagabend am ersten Spieltag nach Dortmund reisen. Es ging aber leider nicht. Nach gut einer halben Stunde führten die Schwarz-Gelben 3:0. Für die VfL-Spieler ging das alles ein wenig schnell, sie schienen komplett überfordert und man konnte ein Debakel befürchten. „Glücklicherweise“ schaltete der BVB nach dem 4:0 etwas zurück. So müssen sich die geprügelten Hunde fühlen. Gut, die Abwehr hatte so noch nie gespielt, mit Kramer und Kruse haben uns ja auch nicht irgendwelche Mitläufer verlassen, geben wir den Neuzugängen etwas Zeit, dann wird das alles schon.
So wollten wir es zumindest glauben, es wurde leider aber nicht, denn auch das zweite Spiel, diesmal Sonntagsabends, ging gegen Mainz trotz zahlreicher Chancen verloren und die rote Laterne brannte seit langem wieder einmal in Mönchengladbach. Auch am dritten Spieltag sollte es in Bremen (wieder Sonntagabend), wo vor wenigen Wochen noch der CL-Einzug gefeiert wurde, nicht zu mindestens einem Punkt reichen. So langsam war eine Blockade in den Spielern der Köpfe auf dem Platz zu erkennen.
Der Fehlstart war „perfekt“. Trotzdem kein Grund unruhig zu werden rund um den BORUSSIA-PARK. Die Besonnenheit besonders in schwierigen Phasen im gesamten Verein inkl. Fans und sogar den Medien, ist ein Pfund, mit dem andere Vereine nicht wuchern können. Dennoch tat das 0:3 gegen den Krisenverein der letzten Jahre HSV (Freitagabend) sehr weh. Vier Spiele, vier Niederlagen, Vereinsnegativrekord. Dass jetzt das Wort Krise die Runde machte, wunderte niemanden wirklich.
Ach ja, die Champions League hätte man dabei fast vergessen können, dabei hatten wir uns doch so lange darauf gefreut. Sicherlich hätte man sich eine sportlich leichtere Gruppe vorstellen können und schon wieder Sevilla musste nun wirklich auch nicht sein. Den EL-Sieger, einen CL-Finalist und die wahrscheinlich teuerste Truppe der Welt als Gegner zu haben – hätten sie’s auch eine Nummer kleiner? Nee, aber das läuft beim Waschen noch ein.
Das erste Spiel in Sevilla passte leider so richtig in den bisherigen Saisonverlauf und ging mit 3:0 verloren, wobei die erste Hälfte noch ganz annehmbar war. Aber gleich mehrere Elfmeter, teilweise berechtigt, teilweise nicht, teilweise verwandelt, teilweise nicht, da kannst Du nix holen. Am zweiten CL-Spieltag war ManCity zu Gast, saugeile Choreo, verschossener Elfer, das erste CL-Tor, Ausgleich und in der 90. Minute ein Elfer gegen uns besiegelten die zweite Niederlage. Dennoch, eine erste Duftmarke war gesetzt. In Turin gegen Juve boten die Fans (nach langem Hin und Her alle mit Ticket versorgt) einen phantastischen Support auf den Rängen und die Spieler eine sehr gute taktische Leistung auf dem Platz. Geht da was im Rückspiel und in der Todesgruppe? Eine weitere tolle Choreographie, ein Unentschieden zur Halbzeit und nach dem Platzverweis mauernde Italiener, die wir leider nicht mehr bezwingen konnten. Der zweite Platz, der eh etwas vermessen gewesen wäre, war nicht mehr zu erreichen, aber Platz drei aus eigener Kraft möglich, dazu musste „nur“ Sevilla geknackt werden.
Nichts leichter als das, als Intro erneut eine aufwendige Choreo und bis zur 78. Minute war das Hinspielresultat egalisiert. Leider fielen noch ein paar Tore, sodass nach dem 4:1 der direkte Vergleich an die Spanier ging. Dann müssen wir es in Manchester eben selber regeln, um Platz drei zu erreichen. Aber reicht ein Punkt, müssen wir gewinnen und was macht Juve in Sevilla? Auf dem Platz ging die erste Halbzeit klar an uns, die 2:1 Führung absolut verdient. Allerdings drückte City nach der Pause aufs Gas, der Widerstand hielt leider nur bis zur 80. Minute. Als Manchester dann das Spiel gedrehte hatte, wachten auch die Anhänger der Blues auf. Ansonsten sehr traurig, was die Citizens an Support zu bieten hatten. Da auch Juventus kein Tor in Sevilla gelingen sollte, waren auch wir am Ende ein wenig traurig, dass es in diesem Jahr erst mal nicht weitergeht in Europa. Aber nach einem wieder mal tollen Auswärtssupport und einer klasse Leistung auf dem Platz haben wir uns mit Anstand und Würde verabschiedet und uns sehr viel Respekt erarbeitet.
Die Geschichte in der Geschichte ist damit abgeschlossen, eine Fortsetzung aber nicht ausgeschlossen. Nach der Derbyniederlage inkl. Fanboykott, über die an verschiedenen Stellen schon ausreichend geschrieben wurde, erschütterte der Rücktritt von Lucien Favre am Sonntagabend nach dem Derby nicht nur die Borussenwelt. Aber vielleicht war es auch der letzte taktische Schachzug eines der erfolgreichsten Trainer (auch ohne Titel) in Mönchengladbach. Denn unter dem neuen Übungsleiter André Schubert schienen plötzlich so viele Blockaden gelöst zu sein, dass es gegen Augsburg nach 21 Minuten bereits 4:0 stand. Auch wenn der FCA durch (wieder mal) zwei Elfmeter noch verkürzen konnte, die ersten Punkte waren am 6. Spieltag im Sack. Der Schwung konnte mit nach Stuttgart genommen werden, und trotz Gegentor durch Elfmeter ein 3:1 Auswärtssieg eingefahren und die Abstiegsplätze verlassen werden.
Am 8. Spieltag, endlich mal Samstag, 15:30 Uhr, ein Heimspiel, konnte der Vizemeister aus Wolfsburg in der Schlussviertelstunde mit 2:0 besiegt werden. Im Samstagabendspiel in Frankfurt am 17.10. gab es ein überzeugendes 5:1 für den VfL. Und als dann auch noch die beiden Spiele in Liga und Pokal gegen Schalke gewonnen werden konnten, grüßte die Borussia erstmals aus der ersten Tabellenhälfte mit der merkwürdigen Bilanz von fünf Siegen und fünf Niederlagen. Der Fehlstart war repariert, im Europapokal zu diesem Zeitpunkt noch gut dabei, im Pokal eine Runde weiter. Leider häuften sich die teilweise schweren Verletzungen, aber die Mannschaft machte die Sache sehr gut, nicht klagen, dann machen es eben andere.
In Berlin ging die schon fast märchenhafte Geschichte mit dem „Interims-One“ weiter, die Überraschungsmannschaft der Hinrunde wurde mit 4:1 aus dem Oly gefegt. Ingolstadt konnte uns dann die ersten Punkte (in einem sehr unsauberen Spiel) seit dem Trainerwechsel abnehmen, gegen Hannover blieben die Punkte aber wieder im BORUSSIA-PARK, auch wenn sich schon erste Verschleißerscheinungen bemerkbar machten. Im Kraichgau musste dann auch schon ein Kraftakt her, der Torjubel beim 3:3 in der 87. Minute durch Johnson dürfte einer der lautesten in Sinsheim gewesen sein.
Nach einer Woche Erholung zeigte das Team dann gegen bis dahin dominante Bayern, was es zu leisten im Stand ist. Drei Treffer in vierzehn Minuten schießt gegen den Meister auch nicht jeder. Ein, wenn nicht das Highlight der Hinrunde. Dia Bayern geschlagen, in der Tabelle auf den dritten Platz geklettert, und das nach dem Start in die Saison und den vielen Verletzten. Selbst Reinhold Messner muss blass vor Neid werden, bei einem solchen Aufstieg.
Es folgten wettbewerbsübergreifend drei Niederlagen am Stück und damit verbunden das jeweilige Aus im Pokal und Europapokal, der Substanzverlust war nicht mehr ganz zu kompensieren. Im Pokalspiel gegen Bremen war zu merken, sie wollen, können aber nicht mehr. André Schubert war inzwischen längst zum Cheftrainer ernannt worden, damit war an dieser Front endlich Ruhe seitens der Medien. Und doch, kurz vor Weihnachten konnte der freche Aufsteiger aus Darmstadt in einem sehr intensiven Spiel in Unterzahl mit 3:2 bezwungen werden. Mit 29 Punkten auf Platz vier konnte es somit in die Winterpause gehen. Wer hätte das gedacht, nach den ersten Spieltagen. Für Außenstehende eventuell bemerkenswert, für uns eine Selbstverständlichkeit, dass auch nach der schlimmsten Niederlagenserie von den Rängen keine Pfiffe kommen und das Team bestmöglich unterstützt wird.
In diesem Sinne, auf in ein für alle hoffentlich erfolgreiches Jahr 2016.