2026 Odyssee im WM-Spielplan
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- Veröffentlicht am 19. Januar 2017
- Geschrieben von Radi und Kaktus
Das System Blatter findet seine Fortführung. Denn auch unter seinem Nachfolger im Amt des FIFA-Präsidenten Infantino wird ab der WM 2026 der Kreis der teilnehmenden Mannschaften weiter aufgebläht, wohl auch aus denselben Motiven. Dass man der Entscheidung durchaus auch positive Aspekte abgewinnen kann, zeigt unsere Rubrik PRO und CONTRA.
PRO
Die Welt zu Gast bei Freunden
20 Jahre nach dem Sommermärchen und seinem Motto ist es dann wohl wirklich soweit. Die Welt spielt um den Weltmeisterpokal des Fußballweltverbandes FIFA. Die Mega-WM ist da: 48 Teams spielen in 16 Dreiergruppen um den Einzug in die K.o.-Runde, um am Ende den verdienten Weltmeister zu küren, und das ist gut so.
Gut? Echt? Warum?
Fangen wir mal mit der Perspektive an, aus der wir diese Entscheidung betrachten. Sehen wir in der Entscheidung die Kreation eines Vermarktungsmonsters? Auf jeden Fall... aber hey, dann dürften wir uns keine EM oder gar die Champions League ansehen. Denn sind wir mal ehrlich: beide Wettbewerbe wurden aufgebläht, um Geld zu scheffeln, und wenn in der CL wirklich nur Champions spielen würden, dann hätte es Turin oder Barcelona für Borussia und uns Fans wohl nicht gegeben. Denn wir hätten da nach den alten Statuten schlicht nichts zu suchen. Stimmt’s?
Vergessen wir den Faktor Geld und die Vermarktungsindustrie, die im Hintergrund arbeitet. Probiert es, und schon ist die Perspektive eine andere. Versucht es nur mal 2 Minuten! Jetzt schauen wir mal über den Fußballtellerrand hinaus:
Bei den olympischen Spielen treten viele hundert Sportler in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an, und jeder weiß, dass hier Sportler dabei sind, die nicht mal im Ansatz mit der Weltspitze mithalten können oder gar um eine Medaille kämpfen. Nein, es ist (Geld vollkommen vergessen bitte) der Gedanke eines Weltsportereignisses, an dem auch Sportler teilnehmen, die vielleicht keine Chance haben, ihre Länder aber mit Stolz und Würde bei den Spielen vertreten, um zumindest die Vorläufe mitzumachen, um dabei zu sein bei der großen Weltparty des Sports. Dabei sein ist alles!!!
Am Ende gewinnen die Besten, wie es sein soll in einem sportlichen Wettbewerb. Vorher waren auch alle anderen Sportler Teil eines großen Ganzen. Übertragen wir das mal auf die Mega-WM: die Verteilungsschlüssel für die Qualifikationsrunden sind noch nicht bekanntgegeben. Sicher werden alle Kontinentalverbände profitieren, und somit haben Länder, die bisher oftmals in der Qualifikation gescheitert sind, endlich die Chance, sich auf der größten Fußballbühne zu präsentieren. Was soll daran schlecht sein?
Leidet wirklich die sportliche Qualität? Die Tendenz geht doch in allen Wettbewerben dahin, dass sich der Underdog sehr defensiv ausrichtet und dem Favoriten das Leben so schwer wie möglich machen will. Kampf und Wille sind da Trumpf. Wann treten 2 Teams wirklich noch mit offenem Visier gegeneinander an? Oder wie waren die Spielstile bei der Partie Deutschland vs. Italien? Hier standen sich 22 der weltbesten Fußballer gegenüber, und trotzdem war es nie ein offener Schlagabtausch. Dann können die Partien auch England vs. Usbekistan heißen. Wir selbst entwickeln bei der Partie nur weniger Emotionen, die Vorzeichen sind ähnlich.
Der Fußball ist nicht nur Hochglanz. Lehnen wir im Innersten nicht diesen Starkult für manche Ikonen ab? Wie oft regten wir uns über die überbezahlten Spieler auf, die keinen Einsatz zeigen? Sehnen wir uns nicht alle nach ehrlichem Fußball? Fußball der durch Teamgeist, Einsatz und Wille getragen wird? Genau diese WM ist die Chance, dass diese Tugenden wieder in den Vordergrund gerückt werden. Fakt ist: es sind insgesamt mehr Spiele, 80 statt 64, aber kein Team muss bis zum Finale mehr Spiele spielen als bisher, nämlich 7. Es ist ein Gruppenspiel weniger, dafür ein K.o.-Spiel mehr. Die Spiele werden im gleichen Zeitraum ausgetragen, also keine Mehrbelastung für die Spieler und früher echter Wettbewerb.
Der Fußball gehört der Welt und nicht nur einem kleinen Kreis von Nationen, die den Kuchen unter sich aufteilen. Fußball verbindet und macht Spaß. Und genau das ist es, was man nie aus dem Auge verlieren sollte. Fußball ist kein Sport für Eliten, sondern für das Volk. Und wenn eine vermeintlich kleine Nation auf der großen Weltbühne etwas bewirken kann, so ist dieser Effekt nicht zu unterschätzen, siehe den Islandhype zur EM.
Ich sage: lasst die Spiele beginnen! Wenn ihr sie nicht sehen wollt, lasst den Fernseher aus! Ich freue mich auf die Underdogs, die den Großen auf die Füße treten und zum Schwitzen bringen. Ich freu mich auf die Meisterschaft der Welt um den goldenen Pokal, eingerahmt im olympischen Gedanken. Und wer es noch ein wenig länger schafft, den Faktor Geld und Gewinn auszublenden, der wird Spaß an dieser WM haben.
Contra
Mehrwert ist nicht immer mehr wert...
Peng – jetzt erhalten wir Fußballfans eine WM mit 48 Mannschaften! Bei der ersten WM 1930 in Uruguay waren es mal sage und schreibe 13 Teams. Dort gab es eine Vierer- und drei Dreier-Gruppen. O.K., man kann weder die Zeit noch die allgemeine Lage vergleichen, aber der Fußball macht schon gehörig was mit.
Muss sich den eigentlich alles, ja, fast wirklich alles um unser geliebtes Hobby total verändern? So total, dass es einen gehörig annervt ? Ich denke: NEIN! In Zeiten, in denen unser aller Konsumverhalten sich merklich wandelt, in denen Trash-TV, Junk-Food, Low-Budget-Erzeugnisse oder Non-verbale Kommunikation unser Leben bestimmen, da hat der König Fußball einen schweren Stand, traditionell zu bleiben.
Aber wäre gerade dies nicht unheimlich schön? Etwas total Wertvolles? Früher hatten wir Baumwolltrikots und echte Lederbälle. Gut – etwas überholt vielleicht. Es gab in der Bundesliga alle Spiele samstags um 15:30 Uhr, und die gute alte Pokalrunde. Hatten wir Erfolg, spielten wir im Jahr darauf im Landesmeister-Pokal, im Pokal der Pokalsieger oder im UEFA-Cup. Alle vier Jahre dann die WM oder EM. Dort spielten auch wirklich nur die, die Erfolg hatten in der jeweiligen Qualifikation. Recht so. Es war das Konzert der Besten. Ein Höhepunkt. Die Krone. Die Sahne. Das i-Tüpfelchen.
So sollte es auch bleiben. So war es gut – so muss es jetzt nicht schlecht sein. In der Quali ist ein Jeder dabei. Aber nur die Besten dürfen in die Endrunde - Belohnung pur. Da der Verteilermodus in der zukünftigen Quali noch nicht bekannt ist, können wir hier nur spekulieren, ob von Achtergruppen dann die ersten sieben zur WM dürfen...oder so ähnlich. Nein, dies will keiner. Das Leistungsprinzip darf nicht ganz verwässert werden. Welchen Sinn soll es z.B. für Malta machen, in einer Gruppe mit Brasilien und Russland zu spielen? Das Geld für Aufwand, Anreise und Co. kann man sinnvoller in die örtlichen Belange stecken. Sollen sie mehr Geld aus der Qualifikation erhalten.
Apropos Geld: Muss alles so dermaßen ausgeschlachtet werden? Wen interessiert denn weltweit ein Spiel Aserbaidschan gegen Gabun wirklich? Dies hat in einer Welt-Endrunde wenig zu suchen. Hier leidet die Qualität durch inflationäre Quantität. Der Fußball-Fan kann und will sich auf so etwas nicht vier Jahre hin freuen. Wie viele Zuschauer soll eine solche, o.g. Partie haben?
Apropos Zuschauer: FIFA, UEFA, TV-Anstalten kümmert dies einen richtigen Sch...dreck! Egal, ob das Stadion halbleer ist. Hauptsache Werbeblöcke können weltweit vermarktet werden. Es ist den Anstalten egal, ob Stimmung im Stadion ist. Man blendet unschöne Bilder einfach aus. Es wird sich so immer mehr vom Sport entfernt und nur noch hin zum Marketing. Wir Fans müssen unseren Sport, unser Hobby, teilweise unser Leben hier solange verteidigen, wie es in der heutigen Zeit geht. Immer wieder den Finger in die blutende Wunde Kommerz legen und immer wieder schauen, dass die Knete den Sport nicht ganz verdirbt.
Es gibt pro Spiel 100 Kameras, 500 Werbungen, 1000 Nebensächlichkeiten, die den Fußball versauen können. Dieser Sport ist für die Masse, für das Volk. Gerade deshalb muss er aber ein Identifikationsfaktor bleiben. Es dürfen nicht alle vier Jahre zig Regeln verändert werden. Das entfernt die wahren Freunde, die langjährigen Unterstützer und Liebhaber. Die gewiss super-positiven Highlights der letzten EM (Island/Wales/Nordirland) passieren nicht, indem alles ausgeschlachtet wird, sondern indem sogenannte blinde Hühner auch einmal ein Korn finden. Rein sportlich, rein zufällig. Genau das ist das Gelbe vom Ei. Denn nicht jedes Jahr sind die sogenannten Top-Favoriten auch top of the table. Gruß ins orange Nachbarland.
Wir ärgern uns heutzutage, dass im Medienpoker z.B. eine Handball-WM nicht mehr im TV übertragen wird. Lasst nicht zu, dass dies eines Tages auch einer Fußball-WM droht. Ich sage, lasst die Finger weg von zu vielen Veränderungen, gesteht den Medien nicht zuviel Macht zu! Ich freue mich auf Top-Endrunden, die den Namen verdienen. Dann macht Public Viewing auch Spaß, oder auch daheim auf dem Sofa. Im alten Baumwolltrikot mit Adler drauf.