Pyrotechnik beim Fußball - da scheiden sich die Geister
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- Veröffentlicht am 09. Februar 2017
- Geschrieben von Sarah und Kaktus
Eine Welt zwischen Emotionen, optischem Feuerwerk, Strafzahlungen und Kriminalisierung. Der Einsatz von Pyrotechnik im Rahmen eines Fußballspiels ist ein heißes Thema und nicht nur, weil die Pyroprodukte nicht nur emotionale Hitze versprühen. Wir zwei haben uns dazu ein paar Gedanken gemacht.
PRO
Italienische Nächte, südländisches Temperament, pure Emotion… was ging uns in den 90ern nicht alles durch den Kopf, wenn man die Bilder aus den italienischen Kurven gesehen hat? Ich zumindest war davon total fasziniert und habe diese Bilder in mich aufgesogen. Mit einher geht beim Anblick der Bengalomeere, dass man die Stimmung in den Kurven als super empfunden hat… Pyro als Ausdruck der puren Emotion, der Vulkan an Stimmung, Kraft und Hitze, der die Kurve ins richtige Licht rückt, dem Gegner zeigt: hier brennt es, und du hast hier keine Chance.
Auch heute empfinde ich nicht anders, wenn die Pyroshow gut gemacht ist. Ein einzelner Blinker, oder ein Rauchtopf, irgendwo gezündet, ist einfach als Umgehung des Pyroverbotes im Stadion zu entlarven, ist eher Vandalismus als emotionaler oder künstlerischer Ausdruck. Nein, Pyroshows müssen gut sein. Genau dann können sie die oben genannten Emotionen transportieren, genau dann ist der Einsatz von Pyro mehr als nur gerechtfertigt. Pyro ist ein Stilmittel der Kurve und sollte daher legalisiert werden. Die Frage ist: in welchem Rahmen? Eins muss klar sein: Böller, sonstige Knallkörper und Leuchtspurmunition haben im Stadion nichts zu suchen. Die Gefährdung durch unkontrollierten Gebrauch ist zu groß.
In Norwegen wurde der Einsatz von Pyrotechnik, und dabei sind die oben genannten Knallkörper und auch Rauchtöpfe ausgeschlossen, ab 2011 unter Auflagen freigegeben. Die Pyroshow wird entweder vor dem Spiel, in der Halbzeitpause oder nach dem Spiel gestartet. Sie ist angemeldet, es werden nur zertifizierte Bengalos oder Blinker verwendet. Der Bereich, in dem gezündet wird, ist nahe am Spielfeld und ist gekennzeichnet. In der Nähe stehen Löschmittel und ausreichend Ordnungspersonal bereit. Das Modell findet auch in anderen europäischen Ländern wie Österreich, hier durch Ausnahmeregelungen, Anwendung.
Ein Weg, der Pyro als Stilmittel der Kurve auch in Deutschland etablieren könnte. Die Politik hat hier zumindest erste Ansätze geliefert. Es gibt kein Abbrennen mehr in engen Menschenmengen. Nicht mehr unter Fahnen, um sich vor dem Blick der Gesetzeshüter zu schützen. Dadurch erreicht man eine weitaus geringere Gefährdung Unbeteiligter. Rechtssicherheit für alle Seiten. Der Kompromiss ist hier, dass der Begriff der *freien Kurve* nur eingeschränkt verwirklicht ist. Denn die Spontaneität der Aktion fehlt, und es gibt Regeln, die eingehalten werden müssen.
Wer jetzt sagt, die verwendeten Materialien sind aber von Natur aus gefährlich, da mehrere hundert Grad heiß und z.T. nicht mit Wasser löschbar, der sollte einen Blick nach Dänemark werfen. Hier haben die Fans von Brondby IF im Verbund mit Verein und Pyrotechnikern Bengalos entwickelt, deren Hitzeentwicklung ungefährlich und die Rauchentwicklung minimal ist. Wenn diese Technik in den Kurven angenommen wird, obwohl dann das Outlawimage der Bengalonutzung wegfällt, dann kann einer Legalisierung nur ein prinzipielles NEIN der Verbände entgegenstehen, weil sie das einfach nicht wollen.
Ich sage klar: Pyro gehört in die Kurve, aber verantwortungsvoll nach den oben genannten Modellen. Ich würde mich über richtig gute Pyroshows freuen.
CONTRA
Zugegeben: Es sieht atemberaubend aus, wenn eine Kurve "komplett brennt". Es bringt eine besondere Stimmung ins Stadion. Pyro kann schön sein. Pyro kann aber auch gefährlich sein, und Pyro, das sind ja auch nicht nur Bengalos, sondern auch Raketen, Rauch und Böller.
Und seien wir mal ehrlich: Wer möchte gerne in einem vollen Stehplatzblock stehen, und direkt neben ihm geht ein Kanonenschlag hoch? Tinnitus, ick freu mir... oder ein Rauchtopf wird gezündelt? Erstens sieht man nichts mehr, zweitens ist das ebenfalls gesundheitsgefährdend (auch wenn nicht sofort), und drittens kann dies zur Spielunterbrechung führen. Die Mannschaft, die grad vielleicht im Flow und kurz davor war, das Spiel zu drehen, wird aus dem Konzept gebracht, und das Spiel wird dann doch verloren. Und was natürlich am schlimmsten wiegt: die Temperatur von Bengalos. Bengalos sind eigentlich Seenotfackeln, und deshalb lassen sich diese nicht mit Wasser löschen. Verbrennungen, die hier zustande kommen können, sind mitunter lebensgefährlich.
Und, um das Ganze rund zu machen, kostet das auch noch richtig Geld: ab 5.000 Euro beim DFB, ab 7.500 Euro bei der UEFA, ist man als Verein dabei. Und seit dem Gerichtsurteil ist es auch legitim, dass die Strafe an den Verursacher weitergegeben wird. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben einen Bengalo gezündelt, und nun sind Sie verschuldet! Muss das sein? Ich denke man schlägt sich schon mit anderen Dingen im Leben genug rum.
Also, was könnte noch für Pyro im Stadion sprechen? Wenn tatsächlich eine komplette Kurve leuchtet und brennt, so wie man das aus den südländischen Kurven kennt, hat das mit Sicherheit eine Ausstrahlung, die den Gegner einschüchtern kann. Aber in Deutschland brennt nie eine Kurve, so wie es in Südeuropa der Fall ist. Das hat natürlich etwas mit dem Pyro-Verbot bei uns zu tun. Aber auch mit der Mentalität. Wir in Deutschland sind bei weitem nicht so temperamentvoll und brennen wie unsere Kollegen in anderen Ländern. Es passt nicht wirklich zu uns. Deutsche Fans zeichnen sich durch Masse, bedingungslosen Support und Optik auf sich aus. Eine Kurve, in der irgendwo mal ein Bengalo brennt, 30 Meter etwas Rauch hoch geht und noch mal ganz wo anders ein Kanonenschlag zu hören ist, macht sich, ehrlich gesagt, lächerlich. Das hat kein Stimmungspotenzial, das ist einfach nur gefährlich und teuer.
Auf das Thema kontrolliertes Abbrennen mag ich gar nicht so richtig eingehen. Etwas, was volle Entfaltung benötigt, um sein ganzes Potenzial auszuschöpfen, kann man nicht in Ketten legen. Der Effekt wäre weg und somit für mich überhaupt zu diskutieren. So, wie wir Pyro lieben, ist es bei uns nicht umsetzbar. Das ist ok. Denn, wenn wir alles bekommen, was andere haben, verliert sich die Freude daran.
Die in Dänemark neu erfundenen Bengalos, die scheinbar weniger Temperatur etc. haben sollen, müssen sich erst noch beweisen. Bis dahin sage ich: Pyro hat bei uns nichts zu suchen, ist aber schön, woanders anzuschauen.