Wintergedanken mit Borussia – ein Besuch der Juppekerk
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- Veröffentlicht am 23. Januar 2018
- Geschrieben von Radi
Neulich nutzte ich einen Kurzurlaub für einen Besuch der Kirche St. Josef in MG-Rheydt, im Volksmund liebevoll Juppekerk genannt. Zwei Stunden hielt ich mich dort auf und beschäftigte mich mit einer besonderen Thematik: meine alte Stammkirche wurde nämlich zu einer Grabeskirche umgebaut, samt einer Borussia-Urnen-Ecke.
Wenn schon ein Bericht hierüber, so dachte ich mir, schreib ich ihn. Keiner war und ist näher dran. Diese Kirche war meine Heimat in allen Lebenslagen. Kommunion, Firmung, Messdiener, KJG, Hochzeiten, die eigene und fremde, Beerdigungen, Mutters Arbeitsplatz – alles dort gewesen und erlebt. Im Zuge der Kirchen-Pfarre-Gemeindezusammenlegungen wurde dieser Kirchraum nun umgestaltet. Jahre nicht drin gewesen, ich war echt gespannt. Klingeln im Trostraum-Büro nebenan. Keiner da. Was soll's? Dann eben alleine hinein. Was brauch ich auch Begleitung hier? 45 Jahre ein- und ausgegangen. Die Türen stehen offen. Der alt-gotische Stil ist komplett erhalten, die schönen bunten Fenster und Figuren sowie ein paar Kirchbänke ebenfalls. Es ist eine Rückkehr in die geistliche Heimat. Stille empfängt mich, der Verkehr bleibt draußen. Eine Infotafel mit Touch-Screen und einige moderne Features empfangen einen. Überraschung. Ich öffne die Innentüre– das Kirchenschiff: Bunte Urnengräber in Din-A-3-Grösse, alle mitten im Kirchraum aufgestellt. Quadratische bunte Eckplätze. In der Nordkapelle mein eigentliches Ziel: Die Borussia-Ecke. Eine geweihte große BMG-Kerze. Viele schwarz-weiß-grüne Urnengräber. Terrassenform wie in der Kurve. Mittig am Ende hinten ein Ölbaum aus dem Jahre 1900, eingepflanzt in Hydrokultur. Erstaunen, Verblüffung, Irritation. Sacken lassen. Hinsetzen. Ein Gebet, eine Träne, Gedanken. Eintrag ins Besucherbuch.
Gedankenflash: Wieso, warum, weshalb? Der Versuch eines Vergleiches: Gott-Netzer, Religion-Borussia, Nordkapelle-Nordkurve, Kirche-Stadion, Tempel-Kurve. Geht so etwas? Statthaft? Bingo! Es geht. Warum auch nicht? Gläubige suchen und finden Halt in der Kirche, in der Religion. Fans suchen und finden Halt im Stadion und beim Verein. Hier Kreuz, dort Raute: in dem Sinne vergleichbar. Gibt Trost und Kraft, baut auf und ist Erfüllung und Ziel und auch Lebenselixier. Treffen in der Kirche oder in der Kneipe. Alltagsbewältigung im Großen, wie im Kleinen. Zusammenhalt in der Gemeinde oder im Fan-Club. Alles ist vergleichbar, übertragbar und ideologisch nachvollziehbar. Die eigene Endlichkeit des Daseins auf Erden wird einem wieder bewusst. Der menschliche Tod wird Thema. Wie beim sportlichen Abstieg? Sicher nicht ganz, aber artverwandt. Wenn schon das Bistum, die Pfarre, die Gemeinde diesen Weg und diesen Vergleich zulässt, dann sollte doch etwas dran sein. Sicher: Im Zuge vom allgemeinen Kirchenschwund auch eine Art von Notlösung und/oder moderner Öffnung zu anderen Themen. Aber eine durchaus gelungene und sympathische Art, Glaube & Religion und liebstes Hobby zu verquicken.
Die Gräber sind nicht ganz billig: € 2.000 - € 3.500 für 12-20 Jahre, aber auch die Friedhofsgebühr ist ja mitunter ziemlich happig. Will sagen: Glaube, Religion oder auch Ersatz-Religion und liebstes Hobby so auf einen Nenner zu bringen = Respekt und Anerkennung. In kleinen Goldbuchstaben steht dann auf jedem Urnengrabfenster Name, 2x Datum, Raute. Ist doch ein schöner Abschluss. Wie ein gewonnenes Spiel im Elfmeterschießen. Ab in den Himmel oder die nächste Runde. Fußball-Liebe - was willst du mehr? Den Glauben daran muss man selber erfahren und mitbringen. Ich verlasse die Kirche und bin um eine Erfahrung reicher. Und irgendwie erstrahlt auch ein Lächeln, ein Licht im manchmal trüben, grauen Bundesliga-Alltag… Die Seele brennt!
Wünsche allen Fans viel inneres Licht und Feuer und Glaube an das, was man liebt! Amen!